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Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...

Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...

Titel: Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malala Yousafzai
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In Pakistan ist es nicht üblich, Menschen schon zu ehren, wenn sie noch am Leben sind. Bei uns werden nur die Toten geehrt. Er hielt es für ein schlechtes Omen.
    Aus diesem Grund mochte auch meine Mutter die Auszeichnung nicht. Sie fürchtete, ich würde dadurch noch bekannter und letztlich zur Zielscheibe werden. Sie selbst trat nie in der Öffentlichkeit auf. Sie weigerte sich sogar, sich fotografieren zu lassen. Sie ist eine sehr traditionsbewusste Frau, und das ist nun einmal die jahrhundertealte Kultur unseres Landes. Würde sie diese Traditionen brechen, dann würden Männer und Frauen gleichermaßen schlecht über sie reden, vor allem in unserer Familie. Doch mit der Zeit ändern sich die Dinge auch bei uns.
    Sie sagte nie, dass sie die Arbeit, die mein Vater und ich leisteten, nicht gutheißen würde, aber als ich die ersten Auszeichnungen erhielt, meinte sie: »Ich will keine Auszeichnungen, ich will meine Tochter. Keine einzige Wimper meiner Tochter würde ich eintauschen wollen, auch nicht, wenn man mir die ganze Welt dafür böte.«
    Mein Vater erklärte einmal, alles, was er jemals wollte, sei eine Schule gewesen, in der Kinder lernen konnten. Doch man hätte uns keine andere Wahl gelassen, als uns politisch zu engagieren und für Bildung zu kämpfen. »Mein einziges Ziel«, sagte er, »ist es, meine Kinder und mein Land so gut zu bilden, wie ich es nur kann. Aber wenn die Hälfte unserer Führer uns anlügt und die andere Hälfte mit den Taliban verhandelt, gibt es für uns keinen anderen Weg. Einer muss doch den Mund aufmachen.«
    Bei meiner Rückkehr nach Hause erwartete mich die Nachricht, dass eine Gruppe Journalisten mich in der Schule interviewen wollte und dass ich mich hübsch machen sollte. Zuerst wollte ich ein besonders schönes Kleid anziehen, doch dann beschloss ich, zu dem Interview lieber etwas Schlichtes zu tragen. Ich wollte, dass sich die Leute auf meine Botschaft konzentrierten und nicht auf das, was ich anhatte.
    Als ich in die Schule kam, sah ich, dass sich alle meine Freundinnen herausgeputzt hatten. »Überraschung!«, riefen sie, als ich das Klassenzimmer betrat, nachdem ich das gewünschte Interview gegeben hatte. Sie hatten gesammelt und eine Party für mich organisiert. Es gab eine riesige weiße Torte mit der Aufschrift »Triumph in ewig« in Schokoglasur. Es war wunderbar, dass meine Freundinnen meinen Erfolg mit mir teilen wollten. Ich wusste, dass jedes der Mädchen aus meiner Klasse mit der Unterstützung seiner Eltern hätte erreichen können, was ich erreicht hatte.
    »Und jetzt zurück an die Arbeit!«, sagte Madam Maryam, als wir mit der Torte fertig waren. »Im März sind Prüfungen!«
     
    Doch das Jahr endete traurig. Fünf Tage nachdem man mir den Preis überreicht hatte, starb plötzlich meine Tante Babo. Sie war die älteste Schwester meiner Mutter, dabei war sie noch nicht einmal 50. Sie war Diabetikerin und hatte eine Fernsehwerbung gesehen, in der ein Arzt in Lahore Wunderheilungen versprach. Sie überredete meinen Onkel, sie dorthin zu bringen. Wir wissen nicht, was ihr der Arzt injizierte, doch meine Tante fiel augenblicklich ins Koma und starb. Mein Vater sagte, der Arzt sei ein Scharlatan gewesen, und deshalb müssten wir unseren Kampf gegen mangelnde Bildung noch verstärken.
    Bis zum Jahresende hatte ich einen Haufen Geld zusammengetragen – je eine halbe Million Rupien vom Premierminister, vom Ministerpräsidenten von Punjab, vom Ministerpräsidenten der KPK -Provinz und von der Regierung der Provinz Sindh. Generalmajor Ghulam Qamar, der Armeekommandant vor Ort, spendete unserer Schule 100000  Rupien für ein Labor und eine Bibliothek. Doch mein Kampf war noch nicht vorüber. Ich erinnerte mich an unsere Geschichtsstunden, wo wir von den Ehren hörten, die Soldaten erhalten, wenn eine Schlacht gewonnen ist. Genauso kamen mir meine Auszeichnungen vor. Sie waren wie kleine Juwelen, doch ohne große Bedeutung. Ich musste mich darauf konzentrieren, den Kampf zu gewinnen.
    Mein Vater benutzte das Geld, um mir ein neues Bett und einen Schrank zu kaufen. Außerdem bezahlte er davon die Zahnimplantate meiner Mutter und kaufte ein kleines Stück Land in Shangla. Wir beschlossen, das restliche Geld für Menschen auszugeben, die Hilfe benötigten. Ich wollte eine Bildungsstiftung gründen. Diese Idee spukte in meinem Kopf herum, seit ich die Kinder vom Müllberg gesehen hatte. Ich wurde das Bild der schwarzen Ratten nicht los, die ich dort gesehen hatte, und

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