Ich bin o.k. – Du bist o.k. • Wie wir uns selbst besser verstehen und unsere Einstellung zu anderen verändern können. Eine Einführung in die Transaktionsanalyse
unser Zusammenleben in Frieden verhindern.
Was ist Realitätstherapie?
Zu Beginn dieses Kapitels habe ich erklärt, die Realität sei unser wichtigstes Behandlungsinstrument. Einige Realitäten habe ich untersucht. Zum Abschluss dieses Kapitels möchte ich kurz die Transaktions-Analyse mit der Realitätstherapie vergleichen, die William Glasser entwickelt hat. [77] Nach Glassers Ansicht ist das Grundproblem des Menschen insofern moralischer Natur, als die
Verantwortlichkeit
die Voraussetzung für die psychische Gesundheit sei.
Ich glaube, dass man beide Ansätze – die Transaktions-Analyse wie die Realitätstherapie – für Ergebnisse eines neuen Durchbruchs in der Psychiatrie ansehen kann, der aus der Unzufriedenheit mit der Unwirksamkeit und Unwirklichkeit jener Form der Psychiatrie und klinischen Psychologie entstanden ist, die im Effekt die Moralität aus dem Mittelpunkt der Behandlung entfernt haben.
Sowohl die Transaktions-Analyse wie die Realitätstherapie gehen davon aus, dass die Menschen für ihr Verhalten verantwortlich sind. Es gibt jedoch einen wesentlichen Unterschied. Ich teile Glassers Ansicht nicht, dass die Vergangenheit unwesentlich sei zum Verständnis des Verhaltens in der Gegenwart. Ich glaube nicht an das Spiel «Archäologie», an das Herumgraben in der Vergangenheit, aber ich glaube auch nicht, dass wir die Vergangenheit völlig ignorieren können. Wer seine Vergangenheit ignoriert, kommt mir vor wie ein Mann, der im Regen steht und erbittert dagegen protestiert, dass Wasser nass ist, während er bis auf die Haut durchweicht wird. Wenn man einem Patienten sagt, dass er verantwortlich sein muss, dann bedeutet das nicht im Geringsten, dass er verantwortlich wird. Die Transaktions-Analyse ist ebenfalls eine «Realitätstherapie», doch sie bietet Antworten, die Glasser meiner Ansicht nach nicht gibt. Was fehlt zum Beispiel Menschen, die Realität nicht oder nur verzerrt (infolge der «Trübung») wahrnehmen können? Welche Antwort gibt er jenen, die «wissen, was sie tun müssen, aber es nie schaffen»? Glasser erklärt: «Wir beschäftigen uns nicht mit unbewussten seelischen Vorgängen … wir befassen uns nicht mit der Geschichte des Patienten, weil wir weder das, was ihm geschehen ist, ändern noch die Tatsache akzeptieren können, dass er durch seine Vergangenheit behindert sei.»
Es stimmt, dass wir die Vergangenheit nicht ändern können. Doch sie schleicht sich durch Eltern-Ich und Kindheits-Ich unweigerlich in unser gegenwärtiges Leben ein, und wenn wir das nicht zugeben und nicht verstehen, warum das geschieht, haben wir kein emanzipiertes Erwachsenen-Ich, mit dem wir zu den verantwortungsbewussten Menschen werden können, als die Glasser uns sehen will. Wir müssen unser El-Er-K verstehen, bevor wir uns von der Vergangenheit abwenden können. Wenn ein Therapeut uns sagt, dass wir
müssen
, dann verkörpert er das Eltern-Ich. Wenn wir uns selbst dazu entschließen, weil wir verstehen, wie wir zusammengesetzt sind, dann kommt dieser Entschluss aus unserem Erwachsenen-Ich. Das «Stehvermögen» unserer Entscheidung hängt völlig davon ab, ob es sich um einen Entschluss des Eltern-Ichs oder des Erwachsenen-Ichs handelt.
Ein anderer Vorbehalt, den ich gegenüber der Realitätstherapie habe, betrifft ihren Mangel an einer besonderen Sprache, mit der berichtet werden kann, «was geschah». Glasser erklärt: «Die Fähigkeit des Therapeuten zum Engagement ist die Hauptkunst bei der Anwendung der Realitätstherapie, doch sie lässt sich nur unter Schwierigkeiten beschreiben. Wie fasst man den raschen Aufbau einer starken emotionalen Beziehung zwischen zwei relativ Fremden in Worte?»
In der Transaktions-Analyse haben wir diese Worte. Anfangs meldet sich im Patienten das Kindheits-Ich zu Wort und sieht im Therapeuten das Eltern-Ich. In der ersten Stunde werden Eltern-Ich, Erwachsenen-Ich und Kindheits-Ich definiert, und dann gebraucht man diese Worte, um den Kontrakt oder die gegenseitigen Behandlungserwartungen festzulegen. Der Kontrakt liegt auf der Ebene des Erwachsenen-Ichs. Wenn der Patient gefragt wird: «Was ist geschehen?», dann kann er sagen, was geschehen ist. Er hat gelernt, sein eigenes Eltern-Ich, Erwachsenen-Ich und Kindheits-Ich zu erkennen. Er hat gelernt, seine Transaktionen zu analysieren. Er hat ein
Instrument
erworben, mit dem er sein Erwachsenen-Ich befreien und stärken kann, und nur dieses Erwachsenen-Ich kann verantwortungsbewusst sein.
Ich bin von ganzem
Weitere Kostenlose Bücher