Ich bin o.k. – Du bist o.k. • Wie wir uns selbst besser verstehen und unsere Einstellung zu anderen verändern können. Eine Einführung in die Transaktionsanalyse
Last obendrauf packt. Das Eingeständnis der Schuld ist schwer. Diese letzte Schmach für das erniedrigte Kindheits-Ich, diese zusätzliche Last meint Dietrich Bonhoeffer, wenn er schreibt: «Heißt das nicht, den Menschen eine weitere und noch schwerere Bürde auf die Schultern legen? Ist das alles, was wir tun können, wenn die Seelen und Leiber der Menschen unter dem Gewicht so vieler menschengeschaffener Dogmen stöhnen?» [41]
Wenn wir die Strukturanalyse verstanden haben – der Wesen von Eltern-Ich, Erwachsenen-Ich und Kindheits-Ich – zeigt sich uns ein Ausweg aus diesem Dilemma zwischen der Unmöglichkeit der Änderung ohne das Eingeständnis der Mitschuld auf der einen Seite und den katastrophalen Folgen dieses Eingeständnisses auf der anderen Seite. Ins Praktische übersetzt: Es ist ein Unterschied,
wie
wir einen Menschen mit seinen Taten konfrontieren. Wer sagt: «Sie sind eine reizbare, schlechtgelaunte, schwierige, unangenehme Person, und genau das schadet Ihrer Ehe», der verschärft einfach die NICHT O.K .-Anschauung und erzeugt Gefühle, die diese Person noch reizbarer, launischer, schwieriger und unangenehmer machen. Oder er stößt sie in eine immer tiefere Depression hinab. Wer andererseits mitfühlend sagen kann: «Es ist Ihr Kindheits-Ich mit seinem NICHT-O.K ., das Ihnen ständig Ärger macht und mit seiner alten Reizbarkeit und schlechten Laune Ihre Glückschancen in der Gegenwart zerstört», der objektiviert das Dilemma in gewissem Maße und gibt dem andern die Möglichkeit, sich nicht als völlige Null zu sehen, sondern als eine Kombination aus positiven und negativen Erfahrungen von früher, die Schwierigkeiten heraufbeschwört. Darüber hinaus ermöglicht es ihm eine Wahl. Ein Mensch kann diese Wahrheit über sich selbst anerkennen, ohne zusammenzubrechen, und dieses Eingeständnis kann sein Erwachsenen-Ich für die Funktion stärken, Eltern-Ich und Kindheits-Ich zu überprüfen und festzustellen, wie diese alten Aufzeichnungen die düsteren Schatten der Vergangenheit wieder aufleben lassen.
Ohne das Bekenntnis zu «meinem Anteil an unseren gemeinsamen Problemen» kann die Transaktions-Analyse oder die Spiel-Analyse einfach zu einer anderen Form der Gehässigkeit verkommen: «Du und dein verdammtes Eltern-Ich», «Das ist schon wieder dein ekelhaftes Kindheits-Ich, Schätzchen». «Da wären wir wieder bei einem deiner Spiele.» Diese Sätze werden dann zu sarkastischen und sadistischen Beschimpfungen in dem neuen Spiel «Spiele-Benennen». Wenn wir einsehen, welche Probleme entstehen können, sehen wir den Gedanken, den Arthur Miller im Titel des Artikels über sein Theaterstück ausgedrückt hat, in einem neuen Licht. «In Ehrfurcht vor ihrem Leiden – aber mit Liebe.»
Diesen Gedanken müssen sich Paare zu eigen machen, die eine Therapie anfangen und etwas Wertvolles aus ihrer Ehe machen wollen. Dabei erhebt sich eine letzte Frage: Wenn wir mit den Spielen aufhören – was machen wir dann? Was gibt es sonst? Was fängt man mit einem emanzipierten Erwachsenen-Ich an?
Die Zielsetzung
Ein Schiff ohne Bestimmungsort treibt in der Strömung, mal hierhin, mal dahin, stöhnend und ächzend bei rauer See, still und beschaulich in ruhigen Breiten. Es verhält sich genau wie das Meer ringsum. So sind auch viele Ehen. Sie halten sich über Wasser, doch sie haben kein Ziel. Wenn Entscheidungen zu treffen sind, heißt die wichtigste Frage: Was tun die andern? Sie passen sich in Kleidung, Wohnung, Kindererziehung, in ihren Wertvorstellungen und in ihrem Denken ihrer gesellschaftlichen Umgebung an. «Solange andere das tun, muss es in Ordnung sein», ist die Richtschnur ihres Handelns. Wenn «Man» eine bestimmte Klasse von Luxusautos kauft, dann kaufen sie sich einen solchen Klassewagen, selbst wenn die monatlichen Ratenverpflichtungen ihr Konto fast schon überziehen. Sie haben sich nicht ihre eigenen unabhängigen Wertmaßstäbe aufgebaut, die für ihre ganz speziellen Lebensumstände gelten, und deshalb sind am Ende oft ihre Träume verflogen, und ihr Geld ist futsch.
Nur das Erwachsenen-Ich kann nein sagen, wenn das Kindheits-Ich um etwas
Größeres, Besseres
und um
mehr
bettelt, damit es sich mehr O.K . fühlt. Nur das Erwachsenen-Ich kann die Frage stellen: «Wenn dich fünf Paar Schuhe glücklich machen, werden dich dann zehn Paar doppelt so glücklich machen?» In der Regel bringt jedes Mehr an materiellem Besitz weniger Freude als die unmittelbar vorausgegangene Erwerbung.
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