Ich bin o.k. – Du bist o.k. • Wie wir uns selbst besser verstehen und unsere Einstellung zu anderen verändern können. Eine Einführung in die Transaktionsanalyse
Schwierigkeiten darlegen: Es ist schwierig, Unterschiede auszugleichen und Kompromisse zu finden, doch es ist auch schwierig, die Alternative zu betreiben, nämlich die Auflösung der Ehe. Man kann nicht auf der Basis starrer absoluter Forderungen vorgehen wie etwa: «Scheidung ist immer falsch», weil es auch um andere Prinzipien geht, die ebenfalls bedacht werden müssen. Wenn man darauf besteht, dass eine Frau mit einem grausamen und brutalen Mann weiterlebt und niemals mit einem anderen Menschen glücklich wird, dann setzt man die Bedeutung der Menschenwürde herab zugunsten der Strafe: Wie man sich bettet, so liegt man. Wer darauf besteht, dass ein Mann weiterhin eine faule, gehässige Frau ernährt, die jeglichen Anteil am Scheitern ihrer Ehe leugnet, setzt die gleichen Prinzipien der Menschenwürde herab. Das soll nicht heißen, dass wir das Prinzip der Ehe als einer dauerhaften Verbindung nicht mehr aufrechterhalten können. Doch wir dürfen darin keine Ermächtigung sehen, Menschen in einen Käfig zu locken, der sie für immer nicht durch moralische, sondern durch juristische Verpflichtungen gefangenhält. Manchmal überprüfen Menschen erst dann ihre Ehe, wenn die Scheidung sich ankündigt. Dann stellen sich die vergleichbaren Schwierigkeiten heraus, und die armen Leute fangen an zu begreifen, vor welch schwerer Wahl sie stehen.
Eine unglückliche Ehe kann das Leben der lustigen geschiedenen Frau oder des sorglosen Junggesellen tatsächlich großartig erscheinen lassen. Doch eine impulsive Entscheidung für die Scheidung auf der Basis einer ungeprüften Annahme kann zu noch größerer Verzweiflung führen. Dass das Leben der Geschiedenen nicht ganz so lustig ist wie in manchen Witzen, zeigt ein Buch von Morton M. Hunt. [39] Er beschreibt die vielen Realitäten, die auf eine Scheidung folgen und die von denen bedacht werden müssen, die selbst an eine Scheidung denken, damit sie sich auf der Basis eines Vergleichs der Schwierigkeiten entscheiden können: die Einsamkeit als immer wieder auftretendes Leiden, der Verlust alter Freunde, die nicht «Partei ergreifen» wollen, der Verlust der Kinder, das Elend der Kinder, die finanziellen Auswirkungen, das Gefühl, versagt zu haben, und das ärgerliche Wissen, dass man noch einmal von vorn anfangen muss. Eine «erwachsene» Einschätzung der eigenen Situation muss diese Realitäten berücksichtigen.
Sodann muss die Ehe selbst untersucht werden. Sehr häufig ist nur ein Partner bereit, diese Untersuchung einzuleiten, weil eines der «beliebtesten» Ehespiele «Immer du» heißt. Wenn ein Partner, sagen wir, die Frau, zur Behandlung kommt und El-Er-K lernt, können wir uns darauf konzentrieren, wie sie «das Erwachsenen-Ich ihres Mannes kodern» und ihn daran interessieren kann, ebenfalls diese Sprache zu lernen. Denn nur auf der Basis einer gemeinsamen Sprache kann sich irgendetwas auf der Ebene des Erwachsenen-Ichs entwickeln. Wenn ein Partner die Beteiligung daran verweigert, sind die Chancen für die Rettung der Ehe sehr gering. Doch wenn beide interessiert sind, an ihrer Ehe zu arbeiten, dann gibt El-Er-K ihnen ein Werkzeug, mit dem sie sich von archaischen Anweisungen des Eltern-Ichs und von inzwischen festgefahrenen Spielmustern lösen können.
Wenn sie die Sprache gelernt haben, untersuchen sie wohl mit als erstes die Ehe-Vereinbarung selbst. Die durchschnittliche Ehe-Vereinbarung ist schlecht, ein Halbe-Halbe-Geschäft, bei dem die Betonung auf der Buchhaltung liegt. Erich Fromm nennt diese Art der Ehe-Vereinbarung einen «Handel mit Persönlichkeitspaketen». Ist sie nicht eine gute Partie? Ja, er ist aber auch ein Aktivposten. Was haben sie einander zu bieten? Er bringt eine gehobene Position bei der Industrie- und Handelskammer mit, und sie verkauft sich blendend als Chanel-duftendes und Avon-glänzendes Displaymaterial. Und so werden sie statt Menschen Dinge auf einem Konkurrenzmarkt. Sie müssen die Halbe-Halbe-Sache weiterführen oder sie machen Pleite. Derartige Vereinbarungen trifft das Kindheits-Ich. Das Kindheits-Ich hat eine Vorstellung von Fairness, von halbe-halbe, doch wegen seiner NICHT O.K .-Anschauung kann es ein tiefgründigeres Prinzip nicht begreifen: nämlich das einer unbegrenzten Verpflichtung für einen anderen Menschen, bei der man nicht fünfzig Prozent zurückhält, sondern bereit ist, keine Rechnung aufzumachen und dem Partner ständig alles zu geben in einer Zweckgemeinschaft, die vom Erwachsenen-Ich gegründet wurde.
Das
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