Ich bin unschuldig
einmal in Leeds liegen blieb, kam er mich holen. Bei einer Hochzeit hat er mich überredet zu tanzen, in Wales hat er mich einen Hügel hinaufgezogen. Heutzutage reden die Leute dauernd von »Alphamännchen«, aber genau so einer ist Philip. Darin habe ich mich verliebt. Philips Stärke, seine Tüchtigkeit. Er ist ein Mann, der die Kontrolle übernimmt.
Seine Mobilnummer ist die einzige, für die ich mein Handy nicht brauche, ich kenne sie auswendig. Es dauert eine Weile, bis die Satelliten sich ausgerichtet haben und die Verbindung steht, doch als ich schließlich den langen, tiefen Wählton aus dem Ausland höre, weine ich schon im Voraus vor Erleichterung.
Es geht niemand ran.
Der Zeitunterschied. In Singapur ist es acht Stunden früher, nach Mitternacht. Er ist gestern den ganzen Tag gereist, ist spät in der Nacht angekommen, als dort Morgen war, und sofort in die Meetings gesaust. Wahrscheinlich ist er vor mindestens zwei Stunden völlig erschöpft zu Bett gegangen. Ich hinterlasse auf seiner Voicemail eine kurze Nachricht und bitte ihn, mich zurückzurufen. Das reicht. Es wäre egoistisch, es weiter zu versuchen, das Hotel anzurufen … Wenn ich mein Handy hätte, könnte ich ihm eine SMS schicken, aber das habe ich nicht. Ich rede morgen mit ihm. Er braucht seinen Schlaf.
Nach diesem Entschluss, der Freundlichkeit, die darin liegt, geht es mir schon ein wenig besser. Wenigstens bin ich zu Hause. Ich setze mich auf. Ich denke an Dinge, die ich in der Vergangenheit bewältigt habe. Allein stehe ich das hier womöglich nicht durch, aber ich kann einen Anfang machen. Ich kann mich organisieren. Ein Schritt nach dem anderen.
Philip wird sagen, ich sei tapfer gewesen. Und selbst in meiner Phantasie fühlt sich das an wie Liebe.
Mit ganz praktischen Dingen fange ich an. Ich weiß, wann ich mein Handy ausgehändigt habe: im Auto auf dem Weg zum Polizeirevier. Ich habe es de Felice gegeben. Wahrscheinlich steckt es noch in seiner Tasche. Alles, was ich brauche, ist die Nummer des Telefons am Empfangstresen, wo PC Morrow gehockt hat – ich habe Philip und Marta von dort angerufen –, doch es stellt sich heraus, dass diese Nummer nicht zu kriegen ist, die ist geheim, die drückt jemand ganz fest an seine Brust. Ich wähle eine dreistellige Nummer und werde mit der Zentrale verbunden, wo mein Anruf aufgezeichnet wird und ein hilfsbereiter Mensch mir versichert, er werde mich verbinden. Doch ich werde nur zu einer automatischen Ansage durchgestellt, und bevor ich verrückt werde, lege ich auf.
Caroline Fletcher ist schon nach Hause gegangen.
Um Terri zu erwischen, wähle ich die Hauptnummer des Studios, wo ich eine weit größere Auswahl habe, als ich für möglich gehalten hätte, und noch sehr viele Tasten drücken muss. Dann spreche ich mit dem Empfang unten – wo ich meinen Namen buchstabieren muss (die Dame kann nur neu sein) –, und dann spreche ich kurz mit Hal, dem Aufnahmeleiter, und danach muss ich quälend lange warten.
»Gott sei Dank«, sage ich, als ich Terris Stimme höre. »Ich bin’s.«
»Gaby!«
Ich richte mich kerzengerade auf. Ich sehe mein Spiegelbild im Fenster, die Form meines Gesichts, wenn auch nicht meine Züge. Das Herz dröhnt mir in den Ohren. »Es tut mir schrecklich leid, Terri. Ich hätte dich in den letzten zwei Tagen niemals so im Stich gelassen, wenn ich noch die geringste Kontrolle über die Sache hätte.«
»Du bist überall im Internet!«
»Sie haben dich doch angerufen, um dir Bescheid zu sagen, oder? PC Morrow hat es mir versprochen. War es okay? Es tut mir schrecklich leid, dass ich dich da mit reingezogen habe. Es sind seltsame Dinge vor sich gegangen, aber jetzt ist es so gut wie geklärt. Vermutlich sollte ich mit Alison von der PR -Abteilung sprechen. Sie dreht bestimmt durch.«
»Ich weiß, dass sie sehr viele Anfragen bekommt. Die Polizei hat gestern angerufen, um uns zu informieren … Aber, ja. Nein. Uns geht’s gut.«
»Gut. Das freut mich. Musste Stan es allein machen?« (Bitte, lass es ihn allein gemacht haben.)
»Also. In Wirklichkeit …«
»Hat India es versucht?« Es ist leichter, wenn ich es selbst ausspreche.
»Es hat einige Überredung erfordert, aber am Ende haben wir sie aufs Sofa gekriegt.«
»Das ist gut«, sage ich und denke: Mist. »War sie gut?«
»Sie hat sich ganz gut geschlagen … Aber wie geht es dir? Was ist los?«
Sie hat sich ganz gut geschlagen … Was heißt das? Das muss ich später sezieren. »Es war schon ein
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