Ich bin unschuldig
Taschentuch, aber ich schnäuze mir die Nase zwischen Daumen und Zeigefinger. »Ist das nicht die, die sie nicht leiden kann?«
»Heute nicht«, antwortet Marta ausdruckslos. Ich bin mir nicht sicher, ob sie es als Witz gemeint hat, aber ich lache trotzdem unter Tränen.
Ich schnappe mir eine Küchenrolle, um mir die Nase zu putzen, und versuche mich zusammenzureißen. »Müssen wir sie abholen?«
Das »wir« ist rein rhetorisch. Ich könnte das Haus unmöglich verlassen, um mir prügelnd einen Weg durch diese Männer zu bahnen, und wenn am anderen Ende der Preis für das Interview des Jahres der Royal Television Society auf mich warten würde.
»Ihre Mutter, Mrs Matthews, sagt, sie könnte auch dort schlafen. Normalerweise darf Izzie während der Woche keinen Übernachtungsbesuch haben, aber sie versteht, dass die Umstände schwierig sind. Und morgen beginnen die Osterferien.«
»Ostern!« Das hatte ich völlig vergessen. Der Gedanke hatte sich verflüchtigt, war davongeflattert wie ein von einem Hund aufgescheuchter Vogel.
»Also …«, sagt Marta. Sie schaut über ihre Schulter.
Möchte sie flüchten, bevor ich sie in ein Gespräch über die Bars in der Nähe verwickele? Nein. Sie geht behutsam durch die Küche, als könnte der Schmutz auf den Fliesen voller Keime sein. Sie trägt eine blaue Bluse mit Paisleymuster, ziemlich durchlässig, und eine Jeans, die mich an meine erinnert. Als sie näher kommt, rieche ich wieder Feige. Ist das mein Parfüm oder nur ein sehr ähnliches? Sie setzt sich und erklärt mir in ihrem gebrochenen Englisch, was alles passiert ist, während ich in Haft war. Ich habe ihr einmal gesagt, dass ich gern auf dem Laufenden gehalten würde über Millies »tägliche Aktivitäten«, und ihre Erzählung ist von einer pflichtbewussten Genauigkeit. Die Polizei hat das Haus durchsucht, aber da war Millie noch in der Schule, also hat sie es nicht mitbekommen, doch heute Morgen haben die Ersten schon zeitig an die Tür geklopft, und sobald sie Millie zur Schule gebracht hatte – früh, weil sie zum Laufklub musste –, hat Marta die Liste der Eltern rausgekramt und Mrs Matthews angerufen, die meinte, sie werde sich sehr gern um Millie kümmern. »Ich hoffe, das war okay«, fügt sie hinzu. »Ich habe ihre Zahnbürste mit zum Hockeytraining genommen und ihr ihre Tasche gegeben. Es schien mir das Beste zu sein, da ich ja hier«, es ist fast ein Lächeln, ich sollte es einfangen und in einen Käfig stecken, »die Stellung halten musste.«
Einen Augenblick lang sage ich nichts. Ich vermisse Millie. Ich sehne mich nach ihr. Ich hätte sie gern bei mir. Aber vielleicht ist es eine gute Idee, dass sie bei ihrer Freundin übernachtet. Es gibt mir Zeit, mich zusammenzureißen. Ich kann mir die kostbare »Elternliste« holen und Mrs Matthews anrufen, um mich bei ihr zu bedanken und mit Millie zu sprechen und ihr Gute Nacht zu sagen. Inzwischen kann ich das Beste hieraus machen, einem ungestörten Augenblick mit Marta.
»Vielen Dank«, sage ich und füge dann hinzu: »Und geht es Ihnen gut?«
»Ja.«
»Es war sicher schrecklich im Haus nach allem, und es würde mir auch nichts ausmachen, aber haben Sie vielleicht in meinem Bett geschlafen?«
»Nein.«
»Oh. Aber … Ach, egal.«
»Ich habe mit der Polizei gesprochen«, sagt sie. »Sie sind hergekommen und haben Fragen gestellt.«
»Was wollten sie?«, frage ich.
»Sie hatten viele Fragen. Sie wollten alles über Sie wissen …«
»Über mich?«
»Die Nacht, als die Frau ermordet wurde. Sie wollten wissen, ob Sie da das Haus verlassen haben.«
»Was haben Sie gesagt? Haben Sie ihnen gesagt, dass ich hier war?«
»Ich weiß nicht. Ich sagte, ich glaube, Sie waren hier.«
»Okay. Haben sie Sie auch nach Ania Dudek gefragt?«
»Ja.« Ungehalten zieht sie an ihrem Kragen, als hätte er sich im Nacken verdreht. »Genau wie Sie. Die haben immer und immer wieder gefragt.« Sie runzelt die Stirn. »Wissen Sie, warum?«
»Ich glaube, die denken, dass Sie sie gekannt haben, weil sich in diesem Mordfall ein paar Merkwürdigkeiten ergeben haben … Deswegen wollten sie mich auch sprechen. Wenn eine von uns je in ihrer Wohnung war oder ihr Sachen zum Anziehen gegeben hätte oder mit ihr eine Pizza gegessen hätte, wäre alles geklärt.«
Martas Blick huscht fort.
»Sie war also nicht Ihre Freundin?«
Sie schüttelt den Kopf und kaut an der Nagelhaut eines Fingers.
»Sind Sie sich da ganz sicher? Sie hatten nie Kontakt mit ihr? Ich
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