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Ich bin unschuldig

Ich bin unschuldig

Titel: Ich bin unschuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Durrant
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bin da, wenn Sie mich brauchen.« Sie steht auf, schaut auf ihre Uhr und geht mit einer Eile, die ihren Worten widerspricht, zurück zur Haustür. »Aber egal, was Sie tun, reden Sie nicht allein mit ihm.«

    Nachdem Caroline fort ist, schalte ich mein Handy ein. Mehrere SMS , zwei von Clara (»Also nicht auf dem Sofa, du freches Biest?«, und ein wenig später »Lebst Du noch?«) und eine von Terri von gestern Abend, in der sie mir schreibt, ich solle nicht zur Arbeit kommen. Es sind auch zwei verpasste Anrufe, beide von Clara. Nichts von Philip, nur eine einzige SMS vom späten Mittwoch: »Sicher angekommen. Ruf dich später an.« Sonst nichts. Keine Voicemail, kein Zeichen, dass er überhaupt an mich gedacht hat. Womöglich hat er sein Handy verloren. Oder er ist über den Rand der Welt gestürzt. Aber das ist er natürlich nicht. Mit zusammengebissenen Zähnen starre ich auf das Display. Ich bin es satt, mir Ausreden für ihn einfallen zu lassen. Millie tanzt in der Küche herum, und ich denke: Zum Teufel mit ihm. Ich bin mehr wert als das. Ich komme allein klar.

    Ich koche ein einfallsloses Abendessen – Nudeln mit Tomatensoße. Da sie nicht noch mehr fernsehen darf, sucht sich Millie ihre eigene Unterhaltung. Sie schleicht sich an die Rollos an der Vorderseite des Hauses, späht hinaus und springt kreischend wieder weg, wenn sie entdeckt wurde. Es erinnert an das Spiel, das sie so gern spielt – »süß oder sauer« –, bei dem sie Fußgängern Gesichter schneidet und ihre Reaktion bewertet. Am Ende geselle ich mich zu ihr und spähe auch hinaus. Zwei Reporter lehnen am Tor und plaudern. Aus einem Auto ragen die Beine eines dritten. Er hört Radio. Die gurgelnde Stimme von Radio 5 dringt an mein Ohr. Auf einer schmiedeeisernen Zaunspitze steckt eine Dose Pepsi Max, wie Oliver Cromwells Kopf.
    Dann geht eine Gestalt vorbei, in grellen Farben und mit vertrautem Gang. Eine muntere Stimme: »Entschuldigen Sie bitte! Danke!« Ein vager Eindruck von Miss Hyatt, meiner Schulleiterin an der Grundschule, wie sie ihre Anweisungen aufpeppte, ihre Anordnungen mit einer Art herrischem Überschwang vorbrachte, der keinen Widerspruch duldete. Es gibt nur einen einzigen Menschen auf diesem Planeten, der immer noch Miss Hyatt zitiert und der aus reinem Spaß an der Freude eine Horde Klatschreporter mit diesem Tonfall auseinandertreiben kann.
    »Ich bin von der Arbeit gleich in die U-Bahn«, ruft Clara, kaum habe ich sie hereingelassen, »und dann in den Zug und dann zu Fuß weiter. Sauvignon blanc.« Sie hält mir zwei Weinflaschen hin und zaubert aus ihrem Stoffbeutel von Daunt Books mehrere Chipstüten. »Und was zum Knabbern.«
    »Nicht zu fassen, dass du hergekommen bist.« Sie trägt einen Dufflecoat und eine Pudelmütze; sie hat sich beim Aufwachen nicht von der trügerischen Sonne täuschen lassen. Von Nord nach Süd. London ist ein Wald, eine Wüste, eine verdorrte Heide. Sie hat die Sahara durchquert, die Eiswüste der Antarktis. »Nicht zu fassen, dass du den ganzen Weg gekommen bist.«
    »Gefällt dir meine Verkleidung?« Sie zieht sich die Mütze übers Gesicht. »Sie haben mich einfach vorbeigehen lassen. Sie haben gar nicht kapiert, dass ich Clara Macdonald bin, extraordinäre Lehrerin für Werken, Handarbeiten und Technik an der Highbury Tech.«
    Ich nehme sie in die Arme, und in meiner Nase kribbeln unerwartete Tränen. Sie gibt ein verlegenes »Ach« von sich, tief bewegt von ihrem Überraschungsbesuch, immer noch eingehüllt in die gebieterische Aura von Miss Hyatt.
    Wir gehen in die Küche, und ich wische mir mit dem Rücken zu ihr rasch an einem Küchenhandtuch die Augen ab und öffne den Wein. Millie setzt sich auf Claras Schoß – sie nennt sie »Tante Clara«, was Philip seit jeher ärgert: In seiner Familie erlaubt er keine »Tanten«, verwandt oder nicht, viel zu gewöhnlich. Millie isst Chips, um die schrecklichen Nudeln vergessen zu machen, und Clara erzählt Geschichten aus unserer Kindheit – über den Sommer, als meine Mutter krank war und an einen besonderen Ort musste, um gesund zu werden, und ich einen ganzen Monat bei ihrer Familie lebte, »ein Monat lang Pyjamaparty« –, bis wir Millie schließlich überreden können, ins Bett zu gehen.
    Ich decke sie zu und gebe ihr behutsam einen Kuss. Sie schlingt mir die Arme um den Hals. Der leicht saure, talkige Geruch ihres Schlafanzugs steigt mir in die Nase. Ich atme tief ein, bis er sich um mein Herz zu knoten scheint. Nichts wird je

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