Ich bin unschuldig
Haus. Ich lebe nicht allein hier. Marta wäre eine Möglichkeit, zumindest für das eine oder andere.«
»Und was sagt sie?«
»Sie leugnet alles. Sie leugnet, sie zu kennen, ihr Kleider von mir gegeben zu haben, meine Karte gemopst zu haben, um Pizza zu kaufen …«
»Und glaubst du, sie sagt die Wahrheit?«
»Ich wüsste nicht, warum sie lügen sollte. Ich mag sie nicht besonders. Ich habe da so ein Gefühl, dass sie etwas verheimlicht, aber ich habe keine Beweise. Und … ich weiß nicht, vielleicht ist es auch meine Schuld.«
Clara sieht mich an.
»Weil ich sie nicht mag, meine ich.«
Doch sie sieht mich weiter an und wartet.
»Philip«, sage ich nach einem Augenblick. »Du denkst an Philip.«
»Er lebt hier auch. Alle Beweise könnten genauso gut auf ihn verweisen wie auf dich.«
Ich trinke einen großen Schluck Wein. Clara mag Philip nicht, aber ich kann nicht glauben, dass sie ihn des Mordes verdächtigt. »Stimmt«, sage ich.
»Gaby.«
»Philip ist kein Mörder«, erwidere ich. »Er ist ein Wichser, und er ist besessen von Geld und Status, und wahrscheinlich liebt er mich nicht mehr, aber er ist kein Mörder.«
Sie lacht, und ich lache auch, obwohl es nicht als Spaß gemeint war.
»Und er ist unglaublich organisiert und cool und überlegt. Wenn er jemanden umbringen wollte, würde er es schlauer anstellen. Es würde nicht mal nach Mord aussehen. Nicht schmutzig und grob wie das hier. Er würde keine Fehler machen. Es sieht Philip einfach nicht ähnlich.«
»Meinetwegen.«
»Außerdem ist er dauernd in der Arbeit und hat ein Alibi.«
Clara hebt in einer Geste der Kapitulation die Hände. »Okay! Ich glaube, wir haben den Nachweis erbracht, dass du nicht mit einem Axtmörder verheiratet bist!«
»Ich bin erleichtert. Noch Wein?«
Ich fülle ihr Glas auf, und sie lächelt mich darüber an. Doch als sie es abstellt, sagt sie: »Aber er ist nicht heimgekommen. Er sollte hier sein. Er ist dein Mann. Ich verstehe nicht, warum du nicht das Hotel angerufen hast, sein Büro, seine Kollegen. Könnte er dir nicht bei der rechtlichen Situation helfen, ganz zu schweigen von moralischer Unterstützung? Um Himmels willen, Gaby, es ist okay, um Hilfe zu bitten. Gelegentlich wäre es schon schön, wenn du zulassen würdest, dass sich jemand um dich kümmert.«
Ich befeuchte einen Finger mit der Zunge und tupfe einen Chipskrümel von der Tischplatte auf. Ich nehme ihn auf die Zunge, wo er liegen bleibt wie ein Stück Pappe. »Ich habe vergessen, wie man sich normal verhält. Ich bin nicht mehr ich selbst. In seiner Gegenwart bin ich befangen, bei allem, was ich tue.«
»Warum, Gaby?«
Ich reibe die Fingerspitzen aneinander, an denen Salz klebt, und versuche noch einmal, den Chipskrümel herunterzuschlucken. »Ganz einfach, ich glaube, er kann mich nicht mehr leiden. Ich glaube, er will mich verlassen. Er arbeitet darauf hin. Nicht sicher, aber wahrscheinlich.«
»Gabs.«
»Schon gut.« Der Chipskrümel bleibt mir im Rachen kleben. Ich sehe sie wieder an und lächle. »Vielleicht hat er ja eine andere, keine Ahnung.« Farbe schießt ihr in die Wangen. Sie denkt das seit Monaten. »Wahrscheinlich in der Arbeit«, füge ich hinzu. »Da verbringt er definitiv mehr Zeit als zu Hause.«
Vielleicht. Wahrscheinlich. Definitiv.
»Oh, Gaby.«
»Ehrlich, Clara. Mir geht’s gut. Ich habe Millie.«
Etwas fährt über ihre Züge, ein Zucken. »Und mich.«
»Und dich.« Ich ziehe ein faltiges Alte-Dame-Gesicht und lasse die Schultern hängen. »Ich hab immer noch mein Augenlicht, meine Gesundheit.«
»Wir müssen dich durch die nächsten paar Tage bringen«, sagt Clara. »Denk nicht an Philip, er ist ein echter Wichser. Um den kümmern wir uns später.«
»Ich kann mit Millie nach Suffolk ziehen, neu anfangen.«
»Genau. Aber bis dahin brauchst du einen Plan. Zwei Pläne. Mehrere Pläne.« Clara kramt in ihrer Tasche nach Block und Stift. Der Stift glitzert und ist am oberen Ende mit einer Feder verziert. »Habe ich einer aus meiner siebten Klasse stibitzt. Richtig. Churchills Kommandozentrale.« Die Stimmung, die im Raum schwebt, wird fortgefegt von Aktivität. So meistert Clara die Lage. Das war schon immer so. Ich denke an ihre Listen und Gedankenlandkarten, ihre Karteikarten und Lernkarten. Sie war in meinem Bekanntenkreis die Erste, die ein Filofax besaß.
Wir sind uns einig, dass ich fürs Erste zu Hause festsitze. Perivale hat gesagt, ich soll mich nicht zu weit entfernen, und ich will ihn nicht noch
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