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Ich bin verboten

Ich bin verboten

Titel: Ich bin verboten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anouk Markovits
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Erinnerung hatte.
    »Anghel? …«
    Er blinzelte. »Josef.«
    Sie errötete. »Natürlich! Wir waren so stolz, als der erste Brief eintraf: ›Josef Lichtenstein ist jetzt ein Bar-Mizwe und hat seine Haftara wie ein echter Chassid gelesen.‹«
    Ihre Augen waren so frühlingsblau wie der Feldblumenstrauß, den er damals, als er dafür betete, dass das kleine Mädchen Mila Heller sicher im Haus von Zalman Stern ankäme, unter den Schrein hinter dem Gemüsefeld gestellt hatte. Er blinzelte den Schrein weg.
    »Ja, ich konnte meine Haftara auswendig. Wir haben während der Schiffsreise nur gelernt. Reb Halberstamm hat mir die Bedeutung der Verse erklärt und auch, was sie uns über die Bedeutung hinaus sagen wollen.«
    Der letzte Satz beeindruckte sie. Er war so ernst und tiefsinnig, wie sie sich an ihn erinnerte.
    »Und Williamsburg?«, fragte sie.
    »In Williamsburg gibt es Menschen, die sich an meine Eltern erinnern, und es gibt Menschen, die sich an deine Eltern erinnern: an den großen Gelehrten Gershon Heller und die schöne Rachel Landau, mögen sie ruhen in Frieden.«
    Mila stiegen Tränen in die Augen. Außer den Sterns hätte in Paris niemand die Namen ihrer Eltern nennen können.
    Sie wussten alles übereinander, was sie für eine chassidische Brautwerbung wissen mussten: Blimela, Tochter der Rachel, Tochter der Haye Esther, und Josef, Sohn des Jekutiel, Sohn des Mendel Wolf. Sie wussten sogar Einzelheiten, die sie gar nicht hätten wissen dürfen. Er kannte den Geruch ihres voll schwarzer Erde steckenden Haares; sie den Geschmack seiner Tränen.
    Sie blickten auf die elfenbeinfarbene Tischdecke, die Hannah im Stil der alten Heimat bestickt hatte. Sie blickten auf die Tischdecke und dann, ganz schnell, einander an. Sie wussten, dass ein ganzes Leben vor ihnen lag, in dem sie sich wieder und wieder den Reigen der Geschichten erzählen konnten, der sie an diesen Tisch zusammengeführt hatte – baschert, füreinander bestimmt unter den Generationen.
    Die Haustür schloss sich hinter Josef.
    »Ich glaube, es heißt ja!«, rief Hannah. » Baschert, sie sind füreinander bestimmt!« Hannah umfasste Milas Taille und tanzte mit ihr um den Esszimmertisch herum. »Jadidadidam!«
    »Tante Hannah, der Arzt hat gesagt, du gehörst ins Bett!«
    Sie wirbelten durch den Flur und blieben vor Zalmans Studierstube stehen. »Masl-tow!«, rief Hannah.
    Zalman klatschte in die Hände und erhob sich. Er strahlte. Er musste sich keine Sorgen mehr machen, nicht um diese Tochter. Sie heiratete an den Hof des Rebbe. »Masl-tow!«
    Vor der Hochzeit trafen sich Mila und Josef noch zwei Mal, aber niemals allein. Beim ersten Mal bekam Mila von Josef die Brosche seiner Mutter und einen bescheidenen Diamant-Verlobungsring. Mila steckte sich die Brosche ans Revers ihres Kostüms, ganz in die Nähe des Herzens. Beim zweiten Mal brachte Josef zwei Geschenkkartons mit; einen flachen weißen mit dunkelrotem Geschenkband und einen dunkelroten mit weißem Geschenkband. Mila zog an dem roten Geschenkband, wickelte das zarte Reispapier auseinander und entfaltete eine Seidenstola. Sie streichelte über die perlweißen und lavendelfarbenen Streifen, schmiegte den Stoff aber nicht an die Wange, weil sie fürchtete, sonst unbescheiden zu wirken. Dann löste sie das weiße Band und berührte vorsichtig die handgemalte Blume auf dem mattblauen Parfümflakon. Mit ihrem singenden, leicht ungarischen Tonfall las sie den Namen: »Anémone des bois.«
    Josef schob die Hüfte zurück und stand leicht vornübergebeugt und mit geschlossenem Mantel da, damit niemand bemerkte, wie sich sein zweiundzwanzigjähriger Ammah zum Lobpreis Milas und HaSchems aufrichtete.
    Nach der Verlobung erklärte Hannah, dass eine zukünftige Braut ein eigenes Zimmer brauche. Mila protestierte. Wie die meisten chassidischen Mädchen wusste sie noch nichts über die intimen Untersuchungen, die einer jüdisch-orthodoxen Hochzeitsnacht vorangehen, doch nachdem sie mit dem privaten Brautunterricht begonnen hatte, zog sie ins Wohnzimmer. Atara kam sie jeden Abend besuchen. Sie bürstete Mila die Haare, und die Bürste fuhr knisternd durch Wellen und Strähnen. Sie wussten beide, dass das schöne lange Haar, das Josef niemals berühren sollte, bald in kleinen Locken auf dem Boden des Abfalleimers liegen würde. Ihre Blicke trafen sich im Spiegel.
    Wieder einmal schlug Mila das zarte Reispapier auseinander und wickelte Josefs Geschenke aus. Sie streichelte über die Seidenstola. »Ich werde

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