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Ich bin verboten

Ich bin verboten

Titel: Ich bin verboten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anouk Markovits
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den Händen haltender Kinder im Schlepptau hatten, das Jüngste immer dem Wagen am nächsten. Fast glaubte sie das pummelige Kinderhändchen zu sehen, das sich am Metallrahmen festhielt. Herr, bitte lass es nächsten Monat mich sein.
    Blutige Tage, reine Tage, an jeder Straßenecke eine Nachbarin, über deren Bauch der Kleiderstoff spannte. All die Chassidinnen, die es nicht abwarten konnten, der fürchterlichen Zerstörung etwas entgegenzusetzen. Guter Herr, bitte denke nächsten Monat an mich.
    Wenn Mila in der Nähe war, dämpften die Frauen, die über Babyfläschchen und Windeln sprachen, ihre Stimmen. Am Sabbat hielten sie ihr in der Synagoge die Hand. »Ich bete für Sie, Frau Lichtenstein.« Die Köpfe der Frauen senkten sich über die Bibeln, ihre Oberkörper wiegten sich im Gebet. Möge der Ewige, der aus der unfruchtbaren Frau eine fröhliche Mutter macht …
    Im dritten Jahr ihrer Ehe vertraute sich Mila den Nachbarinnen an, die einen Arzt in Manhattan empfahlen.
    »Der Doktor hat gesagt, einundzwanzig sei noch jung«, berichtete Mila Josef nach dem Arztbesuch. »Er meint, es sei alles in Ordnung mit mir.«
    »Natürlich ist alles in Ordnung mit dir«, erwiderte Josef.
    An den Hohen Heiligen Tagen betete Mila mit noch mehr Inbrunst. Tekia!, rief das Widderhorn, Terua, klagte es, und Mila flehte: Oh, Herr, schreib unser Kind ins Buch des Lebens ein.
    Auch Josef betete um Kinder. Niemals kam ihr gegenüber ein enttäuschtes Wort über seine Lippen, doch nachts träumte er von ihrer Fülle. Wie schön sie in diesen Träumen war, der runde Bauch, das dünne Gesicht etwas voller. Er träumte, wie sie dem Kind vorsang: Jadidadidam!
    Sie hatten geplant, dass Josef studieren solle, bis die Kinder kamen, aber es kamen keine Kinder, und Josef gehörte im Studienhaus allmählich zum Inventar. Wenn sie allein in der Wohnung saß, schaute Mila die harten Buchrücken von Josefs Talmudbänden an. Manchmal schlug sie einen Folianten auf: viel Aramäisch, das sie nicht so gut lesen konnte wie Hebräisch. Sie nahm sich den Mikraot Gedolot, der ihr vertrauter war und den sie so las, wie sie es im Hause Zalmans und an der Seminarschule gelernt hatte: Hinter jedem Wort, hinter jeder Wortgruppe hielt sie inne und schaute nach der rabbinischen Interpretation, um die richtige Bedeutung des Textes zu verstehen. Doch umso trauriger sie wurde, umso seltener unterbrach sie die Lektüre für die kleiner und blasser gedruckten Randbemerkungen. Mila brauchte keine Textexegese, um Rachels Flehen zu verstehen: Schaffe mir Kinder, wo nicht, so sterbe ich.
    Bis auf Hannahs Stickbild, auf dem ein Hirsch mit riesigem Geweih an einer Wasserstelle stand, waren die Wände bei ihnen so kahl wie die Wände in fast allen chassidischen Häusern. Über der glänzend polierten Tischplatte lag eine transparente Plastikdecke, ein Hochzeitsgeschenk von den Halberstamms – für später, wenn die Kinder kommen.
    Es wurde Abend. Mila schaute aus dem Wohnzimmerfenster zur Straßenüberführung und versuchte, unter den Männern, die dort unterwegs waren, Josefs Mantel auszumachen. In Paris war Josef nicht zu übersehen gewesen, dort hatte seine Kleidung exotisch, sein schwarzer Hut priesterlich gewirkt. Mila hatte gleich gesehen, dass er hübsch war, der Mann aus dem Land ihrer zerrissenen Kindheit, doch in dem schwarzen Gewusel auf der Überführung konnte sie seinen Mantel nicht erkennen. Sie beugte sich wieder über ihre Stickarbeit mit dem Grab Rachels, die so sehr um ein Kind gefleht und dann zwei bekommen hatte – Mutter Rachel, zeig mir die heilenden Blätter.
    »Der Arzt hat gesagt, zweiundzwanzig sei jung. Es ist alles in Ordnung mit mir.«
    »Natürlich ist zweiundzwanzig jung«, sagte Josef.
    *
    Alle zwei Jahre reisten Mila und Josef zu den Sterns nach Paris, um mit ihnen das Pessachfest zu feiern. Als das Taxi an den Eibenhecken der Tuilerien entlangfuhr und sie die Ulmen sah, die gerade zu knospen begannen, freute sich Mila wie ein Kind. Die alte Heimat barg für sie immer noch den Zauber der Verheißung. Endlich bog das Taxi um die Ecke mit dem vertrauten Straßenschild, den weißen Lettern auf dunkelblauem Grund: Rue de Sévigné. Langsam glitt Milas Hand über die Viertelwindung des Treppengeländers, die immer ihr Tempo gebremst hatte, wenn sie, die Brust auf dem nach Wachs riechenden Walnussholz, das Geländer hinunterrutschte. Die letzten drei Treppen nach oben nahm Mila im Sturmschritt. Die blank polierte Mesusa am Türpfosten, die

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