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Ich bin verboten

Ich bin verboten

Titel: Ich bin verboten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anouk Markovits
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sie eines Tages einfach hinter dem Auskunftsschalter auftauchen. Schließlich nahm Mila all ihren Mut zusammen und fragte die Frau am Ausleihschalter, ob sie eine Frau namens Atara Stern kenne, die eine besondere Vorliebe für Bibliotheken habe. Die Frau erklärte ihr höflich, dass die New York Public Library Tausende von Kunden habe.
    Im Lesesaal wanderte das Licht über die hohen Fenster, während Mila den Artikel eines Professors der City University in der Fifth Avenue las. Ihr ging auf, dass die Adresse sich ganz in der Nähe der Bibliothek befand. Sie lief die paar Straßenblocks entlang und fand den Mann in einem Büro hinter einer Glastür vor. Ja, er interessiere sich sehr für den Kasztnerzug, sowohl als Historiker als auch als Mensch, da seine Mutter mit dem Zug entkommen sei. Ja, er wisse von der Flucht des Satmarer Rebbe. Er habe Dokumente, Zeugenaussagen …
    »Wie war das noch einmal mit dem Traum von Kasztners verstorbener Mutter? Oder war es die verstorbene Mutter seines Assistenten?«, fragte Mila eines Donnerstagabends, als Josef Karotten für die Sabbatsuppe schälte. »War es nicht ein Traum, der Kasztner oder seinen Assistenten bewogen hat, den Rebbe von Szatmár zu retten? Erklärt der Rebbe nicht so seine Flucht?«
    »Ich glaube, die Geschichte über den Traum stammt vom Rebbe selbst, aber ich persönlich habe ihn nie darüber reden gehört.«
    »Manche Leute sind böse auf den Rebbe. Sie sagen, er und die anderen Gemeindeführer, die mit diesem Zug geflohen sind, hätten sich schändlich verhalten. Es heißt, sie hätten von den Lagern gewusst, außerdem sei ihnen klar gewesen, dass Kasztners Zug nur durchgelassen werden würde, wenn die anderen Juden sich nicht mehr der Deportation widersetzten. Deshalb hat der Kasztnerkonvoi Kolozsvár auch erst verlassen, nachdem die anderen Juden deportiert worden waren. Sie wollten sichergehen, dass die Prominenten still hielten. ›Es war ein guter Handel‹, hat Eichmann während des Prozesses gesagt.«
    »Worüber redest du eigentlich?«
    »Kolozsvár war nur vier Kilometer von der Grenze entfernt, und im Frühjahr 1944 sind in Rumänien keine Juden mehr umgebracht worden. Hätten die Juden aus Kolozsvár von den Todeslagern gewusst, wären sie geflohen. Sie waren zwanzigtausend Juden, und es gab nur eine Handvoll bewaffneter Wachposten. Einige wären beim Fluchtversuch erschossen worden, doch die meisten hätten überlebt.«
    »Was willst du damit sagen, ›Hätten sie von den Todeslagern gewusst?‹ Niemand wusste davon.«
    »Die Gemeindeführer sind gewarnt worden. Unser Rebbe hat zumindest genug gewusst, um sich mit Hilfe eines Zionisten abzusetzen, obwohl er jeden aus seiner Gemeinde verstoßen hat, der mit Zionisten zu tun hatte.«
    »Der Rebbe hat niemals einen Zionisten um Hilfe gebeten. Er hat niemals darum gebeten, in diesem Zug mitfahren zu dürfen.«
    »Er hat gebettelt. ›Nem mir, ich bin der Rebbe von Szatmár. ‹«
    »Nem mir?« Josef lachte. »Unser Rebbe soll darum gebettelt haben, bei einer von einem Zionisten ausgehandelten Unternehmung mit dabei zu sein?«
    »Gebettelt, Josef. Außerdem hätte unser Rebbe niemals den Sabbat verletzt, wenn er nicht gewusst hätte, dass es um Leben und Tod ging. Er wusste es, Josef, er hat von den Todeslagern gewusst …«
    »Unser Rebbe soll gegen den Sabbat verstoßen haben?«
    »Atara hat es mir schon vor vielen Jahren erzählt. Sie hatte es in der Zeitung gelesen. Es gab einen Prozess … Ich wollte nicht daran denken … Ich war in der Bibliothek.«
    »Du bist in eine Bibliothek gegangen?«
    »Ich musste es wissen, Josef. Was ist, wenn der Rebbe gewusst hat, was mit denen passieren würde, die er zurückließ? Was ist, wenn er genau das gemacht hat, was er den Zionisten immer vorwirft? Was ist, wenn er seine Gemeinde nicht gewarnt hat?«
    »Mila! Wo hörst du solche Sachen?«
    »Ich werfe dem Rebbe nicht vor, dass er überleben wollte; ich werfe ihm vor, dass er zu Kompromissen bereit war, als es um sein Leben ging, aber wenn es um unser Leben geht, können wir nicht einmal einen Test machen, der mir eine Hormonbehandlung ermöglichen würde.«
    »Ach, du redest die ganze Zeit über den Test? Ich habe dir doch gesagt, dass das nichts mit dem Rebbe zu tun hat. Kein gottesfürchtiger Rabbiner würde erlauben, was in der Thora ausdrücklich verboten ist.«
    Milas Nachbarin empfahl einen Arzt, der Hormonpräparate auch ohne Samentest verschrieb. Mila nahm Mittel, die den Zeitpunkt ihres Eisprungs

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