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Ich bin verboten

Ich bin verboten

Titel: Ich bin verboten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anouk Markovits
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sie einmal während … na, du weißt schon, sprechen würde.«
    Während des Rückflugs wünschte sie sich, dass sie sich mit ihrer Frage einfach an Josef wenden könnte: Wäre es nicht so schlimm, wenn der Same jüdisch ist?
    Jedes Mal, wenn sie ihn ansah, lächelte er.
    Josef lächelte trotz seines Kummers. Was würde passieren, wenn der Test ergab, dass er unfruchtbar war? Würde Mila sich von ihm zurückziehen? Würde sie ihn verlassen?
    Am ersten Abend daheim in Williamsburg trug Mila die Stola, mit der sie Josef wissen ließ, dass sie erlaubt war. Ihre Wangen waren blass, sie hielt die Faust gegen das Brustbein gepresst, doch im Lampenlicht schimmerte die Stola perlweiß und lavendelfarben. Ihre verkrampften weißen Fingerknöchel bemerkte er nicht. Er stellte den Wasserkrug und die Schüssel zwischen die beiden Betten, um beim Aufwachen die Unreinheit des Schlafs wegwaschen zu können. Dann wiegte er sich am Fußende ihres Bettes im Gebet: Diesen Monat, barmherziger Herr, ein Kind …
    Die Daunendecke raschelte, als Mila sie an einer Ecke anhob.
    Ihre offenen Arme: Heimat. Seine Heimat.
    Erst lag er neben ihr, und dann lag er auf ihr. Wie vorgeschrieben. Mila, MilaHeller, mein Pardes, mein liebster Paradiesgarten … Ihm fiel ein, dass sie sich im zehnten Jahr ihrer Ehe befanden, was eine Kraft der Verzweiflung in ihm freisetzte. Im Dunkeln, wie vorgeschrieben. Schweigend, wie vorgeschrieben.
    Er sorgte sich nicht, dass seine Leidenschaft alles Maß verlor, denn sie begegnete seinen Stößen wie niemals zuvor.
    Er musste an den Samen denken, der umsonst geflossen war, was gleichbedeutend mit Mord war.
    Er hielt inne.
    War es möglich, dass er den anderen in ihr spürte? Milas Beine umschlangen seine Hüfte, ihre Schenkel zogen ihn tiefer in sich hinein.
    Ihr Feuer verbrannte seine Ängste.
    Er hatte es in guter Absicht getan, beruhigte sich Josef und versank tiefer in Mila.
    Ihr Rücken wölbte sich, ein Schrei entwich ihr, der sie selbst mehr erschreckte als ihn. Josef war glückselig: War dies vielleicht das Geräusch seines Samens, der in ihr Wurzeln schlug?
    Ihre Tränen liefen über seinen Handrücken und aufs Kissen. Er küsste ihre Augenlider, ihre Nase, ihre Lippen.
    Als Josef am nächsten Morgen zum Gottesdienst ging, dankte er dem Herrn dafür, dass er MilaHeller erschaffen hatte. Und er dankte dem Herrn dafür, dass er ihn, Josef, dazu bestimmt hatte, Mila diesen Schrei zu entlocken. Während der Heimreise war sie so verschlossen gewesen, aber in der vergangenen Nacht, ihr Stöhnen … Herr, Deine Wege sind unbegreiflich.
    Josefs Schritte auf dem Pflaster sangen die Kadenz ihres Namens, Mila MilaHeller, und sein Atem schmeckte den Hauch ihrer Verzückung.
    Weil er in ihrer Nähe sein wollte, ging er schon mittags nach Hause.
    Sie sah zu, wie seine langen Finger die Knöpfe des schwarzen Mantels öffneten.
    »Du siehst schlecht aus«, sagte er, als er ihre Blässe bemerkte. »Mila, jetzt ist es schon drei Jahre her, seit du mit dieser …«
    »Nein. Ich kann nicht. Ich werde nicht mit der Hormonbehandlung aufhören.«
    »Mila, in Paris war ich …«
    »Was … was war in Paris?«
    »Nichts, mein Herz.« Er streichelte ihr übers Gesicht. »Wärest du glücklicher, wenn wir zurück nach Paris zögen? Zalman Stern wäre zwar entsetzt, wenn wir den Hof des Rebbe verließen, aber ich werde ihm entgegentreten und es erklären. Würde Paris dich glücklicher machen? Ich hätte nicht so lange warten sollen. Verzeih mir, bitte verzeih mir …«
    »Ich soll dir verzeihen?«
    Er küsste ihre feuchten Wimpern. »Ich hätte dich niemals aus Frankreich wegholen dürfen.«
    »Du hast mich nicht weggeholt. Ich wollte kommen. Ich wollte hier bei dir leben.«
    Drei Wochen später traf der Brief aus der Pariser Klinik ein. In ihm wurde Josef mitgeteilt, dass er nicht zeugen könne. Die Samenanalyse sei eindeutig; es ließe sich nichts machen. Mila hatte die Medikamente umsonst geschluckt.
    Brennende Scham überkam ihn. Er würde ihr anbieten, sie zu verlassen; er musste es tun, sie sehnte sich so nach einem Kind.
    Er steckte den dünnen Umschlag in einen Talmudfolianten und wartete auf den geeigneten Moment, um mit ihr zu reden. »Mila?«, rief er mit fragender Stimme von der Haustür. Er war sich nicht mehr sicher, ob sie da sein würde, ob sein Heim auch ihr Heim war, ob sein Heim eine Heimat sein konnte.
    Es kam die Zeit von Milas Blutung, und sie stellte fest, dass es kein Blut gab.
    Sie wickelte sich die Stola

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