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Ich bin verboten

Ich bin verboten

Titel: Ich bin verboten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anouk Markovits
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Mila Lichtenstein und verdirbt es!« Zalman stand am Rednerpult, doch aus seinem offenen Mund kam kein Wort. Zalman lief mit dem Gürtel hinter ihr her, sie rannte, stolperte über eine Stufe, der Hilfeschrei blieb ihr in der Kehle stecken, während die Gebete, die ihr einst Orientierung gegeben hatten, an ihr vorbeiströmten und wie Gischt von den Felsen zurücksprangen.
    Am Morgen prickelten ihre Brüste wieder. Konnte das neue Leben in ihr, diese Antwort auf ihr Flehen, etwas anderes als gut sein?
    Die Nachbarinnen gratulierten ihr. Eine brachte eine Kartoffelkugel. »Schone dich, Milenka, Gott hat deine Gebete erhört.« Eine andere brachte gefilte fisch. »Du trägst ein besonderes Kind unterm Herzen, einen Tzadik.« Zalman setzte ein paar Worte unter Hannahs Brief: Der Herr hat unser Flehen erhört. Unvergleichlich ist meine Freude über die Nachricht …
    Josef ging früh aus dem Haus und kam spät zurück. Außer am Sabbat aßen sie nicht mehr gemeinsam. An den Donnerstagabenden schälte er immer noch Karotten, Pastinaken und Kartoffeln für die Sabbathühnersuppe, allerdings erst, nachdem Mila zu Bett gegangen war. Er gab das Gemüse in eine Wasserschüssel und stellte sie in den Kühlschrank. Milas Hände zitterten, wenn sie die Kühlschranktür am anderen Tag öffnete und die Schüssel herausnahm. Ihre Hände zitterten, wenn sie die verschiedenen Speisen auf den Sabbattisch stellte.
    Mila war im siebten Monat, als sie beim Abräumen des Sabbatgeschirrs über den Teppichrand stolperte. Josef sprang vor und fing sie in seinen Armen auf. Sobald sie ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatte, ließ er sie los, doch seine Hände hatten auf ihrem geschwollenen Bauch gelegen und gespürt, dass von der schwangeren Mila etwas Heiliges ausging.
    Nach dem Sabbat rollte Josef den Teppich zusammen.
    Seither versperrte ihm Milas runder Bauch jedes Mal die Eingangstreppe, wenn er sich dem Haus des Rebbe näherte. Und so machte Josef wieder kehrt.
    *
    Hannah reiste aus Paris an, um Mila im Wochenbett beizustehen. »Herr, im Himmel, was ist passiert?«, fragte sie, als Josef sie vom Flughafen abholte.
    »Ist Josef krank?«, fragte sie später Mila. »Du musst es mir sagen. Eine Mutter tut alles für ihre Kinder.«
    Mila legte die Hände über ihren Bauch. »Auch Josef würde alles tun, um das Kind zu retten.«
    »Warum muss man das Kind retten? Herr, erbarme dich, was sagen die Ärzte?«
    »Die Ärzte? Nein, nein, das Baby ist kräftig. Spür mal, wie es tritt. Sag Josef, dass du seine Tritte gespürt hast … Bald kommt er heim, lass uns den Tisch decken.«
    Solange Mila in den Wehen lag, versuchte Josef erst gar nicht, sich mit seinen Gefühlen und den Geboten zu beschäftigen. Sechzehn Stunden lang betete er; sechzehn Stunden lang lief er durch die Krankenhausflure und rezitierte wahllos Psalmen, damit Mila kein Leid geschähe, bis die Krankenschwester seine Schulter antippte und ihm sagte, die Mutter und das kleine Töchterchen seien wohlauf.
    Er stand vor Milas Zimmertür in der Entbindungsstation, als eine Krankenschwester das schreiende Baby an ihm vorbeitrug. Das Klagen des verbotenen Kindes zerriss ihm das Herz.
    »Unser Schatz ist hungrig!«, hörte Josef Hannah sagen. »Josef?«, fragte sie dann, »Josef, bist du das in der Tür? Willst du deiner Frau nicht Masl-tow sagen?«
    Er trat ins Zimmer.
    Milas Nachthemd war aufgeknöpft. Sie drückte eine angeschwollene Brustwarze an den winzigen Mund. Dann hörte man ein Saugegeräusch. Josef starrte auf das Neugeborene, das sich an Milas Brust schmiegte, starrte auf die entblößte Brust, ihre Rundheit und Fülle. Der neue Geruch nach Babyöl und Muttermilch bereitete ihm Schwindel.
    »Schau nur, diese kleinen Finger!«, gurrte Hannah. »Perfektion in Vollendung, kejn ajnore (kein böser Blick). Wenn ihr zu Pessach nach Paris kommt, müsst ihr den Sommer über bleiben. Warum eigentlich nicht? Mila kann sich ausruhen. Und du, Josef, kannst mit Zalman studieren. Was ist?«
    »Eine Windel, schnell!«, rief Mila, als der Mund des Babys sich mit Schaum füllte.
    Hannah hielt sich das Baby über die Schulter und klopfte ihm den Rücken.
    Vor dem Wohnzimmerfenster graute der Morgen. Josef war allein in der leeren Wohnung und schaute auf die Straßenüberführung hinaus. Er beobachtete die Gestalten, die zum Morgengebet eilten. Schwarze Mäntel, schwarze Hüte, lange Schläfenlocken – was die Männer als Individuen friedlich wirken ließ, so dass sich Josef in den Straßen von

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