Ich bin verboten
angewinkelten Ellbogen.
Die Töne perlten in frühlingshaftem Überschwang. Der Stiefel des Pianisten trat auf das kupferne Pedal, dann streckte er das Bein am Pedal vorbei lang aus. Jackettschöße umspielten den in Jeans gehüllten Schenkel. Aus einer Jackentasche baumelte ein Schlüsselanhänger, auf dem sich ein Löwe auf die Hinterbeine erhob.
Die Melodie über ihr erreichte ihren Höhepunkt.
Wieder trat der Fuß des Pianisten aufs Pedal; der Löwe kam näher und zog sich wieder zurück.
Die Hämmer schlugen einen tiefen Akkord an.
Zehn leere Jahre dröhnten dumpf in Milas Bauch.
Zum Schluss vereinzelte hohe Töne, die immer leiser werdend verhallten. Stille. Händeklatschen. Der Wind blätterte durch die Pamphlete auf den Ständen.
»Nem mir«, sagte Mila.
Der Junge beugte sich seitlich vom Hocker und schaute unter den Flügel. Er blinzelte, als würde er seinen Augen nicht trauen.
Es war nicht der Student aus der Krawallnacht, es war nicht Xavier.
Mila schloss die Augen und öffnete sie wieder. Ihre Blicke begegneten sich.
»Nem mir«, rief sie noch einmal.
Der Student legte eine Hand ans Ohr, als habe er sie nicht verstanden.
»Nem mir! Prends-moi! Nimm mich!«
Sein Adamsapfel hüpfte auf und ab, seine Hand schloss sich um den geprägten Metalllöwen auf dem Schlüsselbund und schob ihn in die Jackentasche.
Sie lief schnell voran, er folgte ihr die Treppen zur Terrasse hoch, über die langen Lichtstreifen, die durch die schmalen Laibungen fielen. Ihre Hand lag auf ihrem Unterleib. Sei nun still und schlafe, hei-le-lu-le-la … Sie umfasste den Türknauf. Wenn abgesperrt ist, verbietet Gott es mir. Die Tür schwang auf.
Josef stand in der Kabine. Seine Knie zitterten leicht, sein Atem ging schneller. Er war davon ausgegangen, dass ihm dieser Akt ohne sie kein Vergnügen bereiten würde … Barmherziger Herr, Mila MilaHeller … Er schwitzte in seinem dicken schwarzen Mantel, und das Zittern wurde zu einem Schwanken, das er bislang nur als Gebet kannte. Den Erguss, den er nur durch das Rufen ihres Namens hervorgebracht hatte – in den Becher!
Mit zitternder Hand stellte er den Becher in das Metallfach, das sich von beiden Seiten der Wand öffnen ließ. Die Schritte der Krankenschwester auf den Vinylfliesen.
Er zog seine schwarze Hose hoch. Verzeih mir meine Schwäche. Seine Lippen hefteten sich auf das mit Quasten besetzte Kleidungsstück. Bestrafe mich nicht über meine Kraft hinaus.
Der rote Schal am Hals des Wasserspeiers bewegte sich leicht im Wind.
Mila beugte sich über die Brüstung und drehte sich nicht mehr zu ihm um.
Sie hob ihren Rock hoch.
Unter ihr glänzten die Bäume nach dem Regen.
»Tu es belle«, sagte er. »Belle et folle.« Er sprach das Wort »folle« so aus, als sei auch Verrücktheit eine Form des Begehrens. »Folle«, wiederholte er und ließ seine Zunge um die l’s rollen, während seine Arme ihre Taille umfingen. Er schob ihren Rock noch höher.
Sie spürte die kühle Luft auf der nackten Haut zwischen den Strapsen des Strumpfgürtels und dem oberen Rand ihrer Nahtstrümpfe.
Er schnallte seinen Gürtel auf …
Als wäre er es, mein Anghel …
… zog ihr die farbige Baumwollunterhose runter, ihre Erlaubte-Tage-Wäsche. Er drang in sie ein.
Sie stöhnte.
»Oui, ma chatte!«, jauchzte er.
Auch dass er redete, war ein Verstoß, genau wie das Licht.
Er drang tiefer in sie ein.
Ihr Blick wanderte vom regenschillernden Laubdach hinauf zu den vorbeiziehenden Wolken und den Pforten des Himmels. Oh, Herr, schreibe ein Kind ein. Schreibe ein Kind ins Buch des Lebens ein.
Die Härte in ihr ließ sie erzittern. Sie öffnete den Mund für das Gebet, das man vor dem Tod sprach. »Schema Jisrael Adonai Elohenu …« (Höre, Israel, der Herr, unser Gott …)
»Oui, mon chaton, Adonai Echad!« (Ja, mein Kätzchen, der Herr ist einzig), rief der Junge lachend, als sein Samen sich in ihr ergoss.
BUCH IV
Williamsburg, Brooklyn
Mila sehnte sich nach Josefs Umarmung, damit sie die andere Vereinigung und den fremden Samen ungeschehen machen konnte, obwohl sie gleichzeitig dafür betete, der fremde Same möge sich in ihr festklammern.
Schweigend packte sie ihren und Josefs Koffer, schweigend saßen sie nebeneinander im Taxi zum Flughafen. Sie wollte die Last allein tragen, Josef sollte nur Anteil an der Freude haben.
Die Gottlosigkeit des jungen Mannes machte sie noch immer fassungslos. »Ich kenne diese Gebete aus meiner Kindheit. Niemals hätte ich gedacht, dass ich
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