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Ich bin verboten

Ich bin verboten

Titel: Ich bin verboten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anouk Markovits
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um die Schultern, um ihren Mann wissen zu lassen, dass sie erlaubt war.
    Josef suchte nach den richtigen Worten, um Mila von seiner Unfruchtbarkeit zu erzählen, doch er fand sie nicht. Schweigend stand er am Fußende ihres Bettes. Er ging nicht zu ihr.
    Auch am nächsten Abend trug Mila wieder die Stola, und wieder ging Josef nicht zu ihr.
    »Komm her zu mir«, flüsterte Mila und hob eine Ecke ihrer Daunendecke an.
    So hatte Mila noch nie mit ihm geredet. Noch nie hatte sie ihn zu sich gerufen; immer war er es gewesen, der am Fußende des Bettes stand und auf das leise Rascheln der Decke wartete.
    »Josef, ich weiß es jetzt sicher … seit gestern.«
    Die langsam aufsteigende Panik. Hatte sie den Brief aus der Pariser Klinik gesehen? Aber warum dann dieser freudige Unterton in ihrer Stimme?
    Sie nahm seine Hand und legte sie auf ihren Bauch. »Ich bin schwanger.«
    Josef spürte, wie seine Hand heiß wurde. Eine wilde Hoffnung schoss ihm vom Herzen in den Kopf: Vielleicht war Milas Schrei am Abend ihrer Heimkehr aus Paris tatsächlich das Geräusch seines wurzelschlagenden Samens gewesen! Gott hatte ihre Gebete erhört, Wunder geschahen. Doch obwohl ihm die leidenschaftliche Hoffnung die Brust zerriss, ging er nicht zu ihr hin, umarmte sie nicht. Sie streckte den Arm nach ihm aus. Die Stola glitt ihr von den Schultern und fiel zu Boden, doch Josef hob sie nicht auf. Wie angewurzelt stand er da und schwankte zwischen der Möglichkeit eines Wunders und dem Brief aus Paris, dem Laborbefund, der ihm sagte, dass er niemals Kinder zeugen würde.
    Sie schob die Decke weg. »Ich bin’s, Mila Heller!«
    Josef hatte Mila verraten, dass er sie in Gedanken immer noch Mila Heller nannte. Lich-ten-stein klänge so hart, hatte er erklärt. Wie drei Hammerschläge. Während man für Heller das h hauchte, die l’s mit der Zunge umspielte, die dann mit dem r hochrollte – Heller Mila Heller …
    » Lichtenstein, jetzt heißt du Lichtenstein«, stammelte er.
    »Ich bin schwanger, Josef!«
    »Ich habe den Test gemacht, den verbotenen Test …«, brach es aus ihm heraus.
    »Und ich bin schwanger!« Ihre Stimme klang hart, entschlossen.
    Schwankend stand er am Fuß des Bettes wie einst Zalman vor den Gräbern, Gott voller Erbarmen … Dann verschränkte er die Hände ineinander und fiel auf die Knie. So hatte Mila ihn noch nie gesehen. Ihr Mund klappte auf. »Josef?«, flüsterte sie.
    Er rappelte sich hoch.
    Schweigend blickten sie einander an. Wortlos und blass.
    Er wandte sich von ihr ab, nicht zu ihr hin.
    Er ging ins Badezimmer und verschloss die Tür hinter sich. Er beugte sich übers Waschbecken. Er weinte.
    *
    Ein anderer hatte ihre Wange gestreichelt, ihre Brust umfasst?
    In Paris natürlich. Ein alter Bekannter aus dem Lyzeum? An dem Abend, als sie ohne Perücke und Schuhe heimgekommen war? In welcher Straße, an welchem Ufer? Der fremde Ammah war in sie gedrungen und hatte sie von ihm weggedrängt.
    Steinigung, wenn sie verlobt ist.
    Erdrosseln, wenn sie verheiratet ist.
    Feuer, wenn sie die Tochter eines Priesters ist.
    Strafte der Herr ihn, weil er sich an ihr erfreut hatte? Rabbi Nachman von Brazlaw lehrte, dass Vergnügen in der Ehe ein Ehebruch dem Herrn gegenüber sei; der Fromme spüre beim Verkehr nur Schmerz.
    Josef bemühte sich, ihren Namen auf seinen Lippen durch den Namen des Herrn zu ersetzen, statt MilaHeller: Kanah, Tsevaot, Schaddai …
    Tagsüber ging Josef Mila aus dem Weg; nachts schnallte er sich einen Gürtel um die Lenden. Die mit Quasten besetzte schwarze Schärpe, die er beim Gebet trug, um das Hohe vom Niederen zu trennen, legte er jetzt auch im Bett nicht ab. Doch was konnte Josef anbieten, um den Herrn zu besänftigen? Alles, was er besaß, war seine Leidenschaft für MilaHeller.
    Milas weißes Laken, das kleine Wellen schlug, wenn sie sich im Schlaf umdrehte, machte alles zunichte. Er zog die Schärpe fester um sich. Statt in sie zu dringen, drang er in Träume von ihr.
    Am Morgen brachten ihn seine schmerzenden Hoden ins Fleisch zurück, selbst wenn er den ersten Gebetsriemen anlegte und sich den schwarzen Lederriemen sieben Mal um den Arm wickelte, selbst wenn er das Wort des Herrn auf seiner Stirn befestigte: Hüte dich … dass nicht der Zorn des Herrn über dich ergrimme.
    Josef saß auf der Couchkante. Er hatte die Hände vors Gesicht geschlagen. Mila kam ins Zimmer und setzte sich aufs andere Ende der Couch.
    »Bleib weg«, sagte Josef, ohne aufzublicken. »Assur.«
    »Was ist assur?

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