Ich bleib so scheiße, wie ich bin
es dort, wo ich gerade bin, keine Zigaretten gibt, kann ich sie auch nicht rauchen. Oder: Mein Arzt hat mir verkündet, dass ich, wenn ich weiter rauche wie bisher, mein Leben riskiere, sodass seitdem meine Todesangst größer ist als meine Lust nach einer Zigarette.
Manch ein Mensch, der unter Übergewicht leidet, sehnt sich vielleicht danach, in einem Land mit unsicheren politischen Verhältnissen gekidnappt und bei Fladenbrot und Wasser ein paar Wochen durch den Dschungel gehetzt zu werden, um dann rank und schlank nach einer spektakulären Befreiungsaktion in seine Heimat zurückzukehren. Jahrelange Mitgliedschaften bei Weight Watchers und in Fitnessstudios, nie durchgehaltene Fastenkuren und ein ewig schlechtes Gewissen hätten sich mit einem Schlag erledigt.
In dem Film Fight Club (USA, 1996) spielt Brad Pitt den Angestellten eines Autoherstellers, der an einer dissoziativen Persönlichkeitsstörung leidet. Sein zweites Ich namens Tyler Durden tut all das, was ihm, dem unauffälligen Angestellten, nicht möglich ist: Er prügelt sich und hat Affären, gründet den Fight Club, wo ausgesuchte männliche Mitglieder sich gegenseitig an ihre körperlichen und psychischen Grenzen bringen, und plant nebenbei eine Verschwörung gegen das amerikanische Bankenwesen. Der Angestellte fährt eines Nachmittags als Tyler Durden zu einer Tankstelle und fragt den chinesischen Tankwart, der seinen Wagen auftankt, was sein eigentliches Lebensziel sei. Als der Tankwart ihm gesteht, dass er ursprünglich Medizin studieren wollte, zieht Tyler seine Waffe, hält sie dem Chinesen an die Schläfe und verkündet: »Wenn ich nächste Woche hier vorbeikomme und du mir nicht deine Immatrikulation an der medizinischen Fakultät zeigst, erschieße ich Dich.«
Leider wird man selten im Leben so eindeutig und nachdrücklich motiviert. Man nimmt also seine Selbstverbesserung selbst in die Hand, doch dabei sollte man sich bewusst sein, dass dies keine gefahrlose Unternehmung ist und dass sie einige Blessuren auf einer empfindlichen Seele hinterlassen kann.
DIE DREI FALLEN DER SELBSTVERBESSERUNG
Selbstverständlich muss man zwischen kleinen und großen Selbstverbesserungsprojekten differenzieren. Es ist auf den ersten Blick ein Unterschied, ob wir uns vorgenommen haben, mit dem Rauchen aufzuhören, oder ein ausgeglichener Mensch zu werden. Das erste Projekt scheint eine klar fassbare Aufgabe zu sein: Die Zielvorgabe ist eindeutig, die Maßnahmen ergeben sich aus der Aufgabenstellung (keine Zigarette in den Mund nehmen und anstecken).
Dagegen ist das Streben nach größerer Ausgeglichenheit ein schwer abzugrenzender Prozess. Sowohl Zielvorgabe als auch die zu ergreifenden Maßnahmen sind unklar, es lässt sich also schwer sagen, wann genau das Ziel erreicht ist und was man für dieses Ziel unternehmen muss.
Noch schwieriger aber wird es, wenn bei unseren Selbstoptimierungswünschen das Handeln Dritter beziehungsweise die äußeren Umstände eine gewisse Rolle spielen. Wer etwa einen Arbeitsplatz mit besseren Aufstiegschancen und einem höheren Gehalt anstrebt oder sich eine liebevollere Partnerschaft wünscht, oder von Freunden und Familie mehr respektiert werden möchte, kann selbstverständlich etwas dafür tun. Aber seine Anstrengungen und das gewünschte Ergebnis stehen nicht mehr unmittelbar in einem Zusammenhang.
Letztendlich ist es aber gleichgültig, wie komplex das Selbstverbesserungsprojekt ist, das wir in Angriff nehmen: Am Ende wird jedes Projekt, so simpel es auch beginnt, alle Stadien der Selbstverbesserungsspirale durchlaufen. Denn jeder gute Vorsatz hat die Tendenz, in das nächstkomplexere Stadium überzuwechseln, wenn man im ersten Anlauf an ihm scheitert.
Das lässt sich am Beispiel des Vorsatzes, Nichtraucher zu werden, gut nachvollziehen.
Sie haben sich vorgenommen, mit dem Rauchen aufzuhören. Ob Sie zu diesem Zweck die radikale Methode oder die der schrittweisen Verringerung wählen, ist unerheblich. Kaum haben Sie begonnen, Ihren Vorsatz in die Tat umzusetzen, werden Sie mit dem antagonistischen Prinzip konfrontiert: Sie spüren plötzlich, wie gern Sie eigentlich rauchen, wie viel Genuss, Entspannung und Erleichterung Ihnen die Zigaretten im Laufe des Tages verschaffen. (»Ich rauche gern« lautete daher auch 1988 der Leitspruch der Werbekampagne für die Zigarettenmarke R1, der genau den Gegenspieler zum Nichtraucher in Ihnen bestärkt.)
Verbesserungsversuche der Kategorie 1 werden früher oder später zu einer
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