Ich bleib so scheiße, wie ich bin
Frage der Persönlichkeit – siehe Kategorie 2. Wer seine Lebensumstände verbessern will – siehe Kategorie 3 – dem werden viele Dinge an sich selber auffallen, die dem im Weg stehen. Und schon spaltet sich das Projekt wieder in einzelne Aufgaben der Kategorien 1 und 2 auf.
Sie können die selbst verordnete Einschränkung nicht durchhalten und schreiben Ihre Rückschläge Ihrer fehlenden Disziplin und Ihrem mangelnden Durchhaltewillen zu.
Erleichterung befällt Sie, als Sie in einer Apothekenzeitschrift lesen, dass wissenschaftliche Versuche ergeben hätten, dass das Suchtpotenzial von Nikotin erheblich größer sei als bisher angenommen. Sie sind also gar nicht so schwach, wie Sie gedacht haben, Sie haben lediglich das Problem falsch eingeschätzt. Sie besorgen sich, wie in der Zeitschrift empfohlen, Nikotinpflaster. 72 % der Anwender schaffen es, mit dem Rauchen aufzuhören, steht im Beipackzettel. Sie kleben die Pflaster überallhin – und rauchen weiter. Der Beweis ist erbracht: Sie gehören zu den charakterschwachen 28 %.
Mit dem Rauchen aufzuhören, ist kinderleicht. Ich habe es schon
hundertmal geschafft.
Mark Twain
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An diesem Punkt ist das Projekt »mit dem Rauchen aufhören« längst in die nächsthöhere Kategorie gerutscht. Erfolg oder Misserfolg wird zu einer Frage der Persönlichkeit. Ihre Ehre steht auf dem Spiel!
Nachdem Sie eine Weile an sich selbst gelitten haben, kommt Ihnen plötzlich ein sensationeller Gedanke: Waren Sie bisher davon überzeugt, dass Ihre Unzufriedenheit daher rührt, dass es Ihnen nicht gelingt, mit dem Rauchen aufzuhören, ist Ihnen mit einem Mal klar, dass Sie nicht mit dem Rauchen aufhören können, weil Sie unzufrieden sind: Jedes Mal, wenn Sie sich innerlich leer fühlen oder nervös sind, greifen Sie zur Zigarette. Die Zigarette ist Ihr Trostpflaster, es ist das Symptom, nicht die Ursache Ihrer Probleme.
Diese Erkenntnis gaukelt Ihnen nun neue Möglichkeiten bei der Bekämpfung Ihrer Nikotinsucht vor. Sie müssen nur die Ursache in den Griff bekommen, dann ergibt sich das mit dem Rauchen wie von selbst. Noch ahnen Sie nicht, dass Sie Ihr Problem mit diesem Ansatz nur vergrößert haben.
Haben Sie in der Kategorie I Ihrer Selbstverbesserung mit dem antagonistischen Prinzip zu kämpfen gehabt, werden Sie beim Selbstverbesserungsprojekt der Kategorie II – hier die Bekämpfung Ihrer Unzufriedenheit – mit einer weiteren Selbstverbesserungsfalle konfrontiert: dem psychologischen Paradox.
Das berühmteste aller psychologischen Paradoxe kennt jeder, es lautet: »Sei spontan.«
Natürlich kann nach dieser Aufforderung kein Mensch mehr spontan sein. Was immer er auch tut, bezieht sich von nun an auf diese Aufforderung, sei es, um das Geforderte zu erfüllen, oder um dagegen zu protestieren. Deswegen braucht ein Mann, dessen Frau sich darüber beschwert, dass er ihr niemals Blumen mitbringt, auch nicht in einen Laden zu rennen und welche zu kaufen. Die Frau wünscht sich selbstverständlich, dass der Mann aus sich heraus, also spontan, auf die Idee kommt, sie mit einem Blumenstrauß zu überraschen. Mit Blumen, die auf ihre Nachfrage ins Haus gebracht werden, kann sie nichts anfangen.
Ein anderes psychologisches Paradox ist die Anweisung »Entspanne dich«. Denn Entspannung bedeutet, dass man jede Anstrengung fahren lässt und kein Ziel verfolgt. Ähnlich hoffnungslos wie auf Befehl spontan oder entspannt zu sein, ist es, die Anweisung »Mach es mir nicht dauernd recht« zu befolgen.
Und genauso paradox ist es, sich zu bemühen, ein zufriedener Mensch zu sein, denn dieses Bemühen kann ja nur aus einer Unzufriedenheit mit sich selbst entstehen. Mit meinen anderen Charaktereigenschaften verhält es sich ähnlich: Wer sich überwinden muss, um diszipliniert zu sein, ist kein wahrhaft disziplinierter Mensch. Ein Laster, das man jeden Tag aufs Neue bekämpfen muss, hat genauso viel Macht über einen wie eines, das man auslebt. Wahrscheinlich sogar mehr. Kurz: Je größer die Anstrengungen sind, die ich zu meiner Selbstverbesserung unternehme, desto mehr wächst in mir die Überzeugung, dass es so, wie ich gerade bin, nicht in Ordnung ist.
Wer besser werden will, hat’s nötig.
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Es ist an der Zeit, eine entscheidende Frage zu stellen: Wozu machen wir das alles, warum tun wir uns das an – und schon sind wir bei den Selbstverbesserungen der Kategorie III angelangt.
Wer zufriedener werden möchte (Kategorie II), tut dies vielleicht, weil er sich davon mehr
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