Ich bleib so scheiße, wie ich bin
Freundschaften oder gar die große Liebe erhofft – alles Ziele, die zu den Selbstverbesserungen der Kategorie III gehören.
Wer wünscht sich das nicht, einen wundervollen Partner, der einen liebt, weil man sich endlich selbst liebt – so wie man ist. (Nein, natürlich nicht so, wie man jetzt gerade ist, sondern wie man bald sein wird, wenn man durch seine Eigenliebe zu einer liebenswerteren Persönlichkeit geworden ist – siehe Selbstverbesserungsfalle der Kategorie II »psychologisches Paradox«.)
Aufregende Liebhaber und viele Freunde, mehr Geld und Ruhm, einen schönen Körper und Gesundheit – das sind alles absolut nachvollziehbare Wünsche, doch deren Erfüllung unterliegt nicht immer unserer Kontrolle. Ob jemand Weltmeister, Außenminister, Millionär und/oder Schönheitskönigin wird, hängt von vielen Komponenten ab. Diese Tatsache ist offensichtlich, sie bedarf eigentlich keiner Erläuterung. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich unsere Träume, je kühner sie sind, umso mehr unserem Einflussbereich entziehen. Tatsächlich gibt es Menschen, die uns versprechen, Kontrolle über Umstände zu erlangen, die man nicht kontrollieren kann. Mit diesem Versprechen werden inzwischen auf der Welt Milliarden verdient, wobei die Nutznießer ihren finanziellen Erfolg gleich als Beweis dafür benutzen, dass ihre Methode funktioniert: Ein billiger Trick.
Eine dieser Methoden lautet »Positives Denken«, und die These, die dahintersteckt, besagt: Nur das, was ich mir vorstelle, kann in der realen Welt Gestalt annehmen, und daher muss ich mir das, was ich mir wünsche, nur fest genug vorstellen, dann werden meine Vorstellungen wahr. Wenn das nicht klappt, habe ich es mir noch nicht fest genug vorgestellt.
Das ist die dritte Selbstverbesserungsfalle: das magische Denken, dessen berühmtester Vertreter das positive Denken ist.
Mit dem magischen Denken ist es wie mit
den Kettenbriefen: Die, die zuerst darauf
gekommen sind, werden reich, die anderen
müssen zahlen.
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Man scheint sich mit dem positiven Denken in ein für den Normalsterblichen nicht sichtbares Paralleluniversum beamen zu können. Man muss sich zum Beispiel als heterosexuelle Frau nur den superliebevollengutaussehendenundgroßzügigen Mann vorstellen, der einem daraufhin begegnet. Das ist natürlich wirklich prima, denn bis jetzt war es so, dass man mit den meisten Männern, die einem begegnet sind, auf keinen Fall zusammen sein wollte. Diese Tatsache hat einem manche Party und manches Abendessen verdorben, aber zum Glück wissen wir jetzt, wie wir das ändern können: durch die Kraft der Imagination.
Die tollen Jobs, das viele Geld, Glück, Zufall, Gesundheit, Spontanheilungen kommen zu uns, ganz ohne Anstrengung, sobald wir positiv denken.
Dass Bücher wie Erfolgreich wünschen oder Grüße vom Universum millionenfach verkauft werden und Millionen Menschen immer noch arbeitslos sind oder unzufrieden mit ihren Jobs, mit ihren Partnern und ihren Lebensumständen, sollte uns eigentlich misstrauisch machen. Doch wir hoffen wie der Calvinist, dass wir zu den Guten gehören, denen das positive Denken gelingt, weil wir die Kraft haben, daran zu glauben. Die anderen, die das Schicksal trotz der Lektüre solcher Bücher immer noch beutelt – mit denen brauchen wir kein Mitleid zu haben, denn sie sind selbst schuld, wenn sie sich so ungehemmt ihren negativen Gedanken und Gefühlen hingeben.
Inzwischen sind alle Bevölkerungsschichten vom magischen Denken infiziert, und man muss sich daher genau überlegen, wem man sich überhaupt noch mit seinem Frust, seinen Ängsten und seinem Ärger anvertrauen kann: Spricht man beispielsweise über seine Existenzängste, weil in dem In-Viertel, in dem man wohnt, die Mieten immer teurer werden, die Jobs aber immer weniger und immer schlechter bezahlt, muss man sich darauf gefasst machen, dass selbst gute Freunde »keine Lust haben, sich das Gejammer anzuhören« und dass man »etwas an seiner Einstellung ändern« müsse. Endgültig zu Feinden werden sie, wenn man ihren Vorschlag ablehnt, bei einer Heilerin einen 250 Euro teuren Kurs zu buchen, in dem man lernt, seinen Geldfluss wieder in Gang zu bringen. Das Argument, dass man nicht 250 Euro für eine Wunderheilerin ausgeben wolle, wenn man nicht einmal weiß, wie man die nächste Miete bezahlen soll, zählt für sie nicht: Wer nicht einmal 250 Euro investieren will, um sein Problem zu lösen, der ist an seiner Situation selbst schuld und hat ihrer Meinung
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