Ich bleib so scheiße, wie ich bin
Kommentator der Zeitung Guardian (Lagos) 2003 auf BBC News Online .
Ich möchte dieses Glück nie erleben.
Die wahren Lebenskünstler sind bereits
glücklich, wenn sie nicht unglücklich sind.
Jean Anouilh
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SPIRITUALITÄT
ABSICHTSLOS SEIN MIT ALlER GEWALT
Geben Sie sich keine Mühe. Erwachen kann man nämlich auch vor dem Fernseher mit einer Tüte Chips in der Hand.
GEIST
SICH GEISTIG MEHR HERAUSFORDERN – THEORETISCH EINE GUTE IDEE
Bereit sein, Neues zu lernen, sich stets herausfordern, sich für etwas begeistern können – das sind alles lobenswerte Eigenschaften. Man will sich schließlich geistig fit halten. Eine neue Sprache zum Beispiel eröffnet einem nicht nur menschlich und beruflich neue Möglichkeiten, sondern ist gleichzeitig ein gutes »Gehirnjogging«.
Aber obwohl die Vorteile auf der Hand liegen, können Sie sich nicht überreden, endlich mit Ihrem persönlichen Bildungsprojekt anzufangen? »Das liegt daran, dass die Idee, etwas zu tun, was gut für einen wäre, nur ein Gedanke ist«, sagt der Psychiater Dr. Mazda Adli von der Charité Berlin. »Und für einen Gedanken kann man nicht wirklich Begeisterung aufbringen.«
Begeisterung kann man sich nicht vornehmen und auch nicht erzwingen. Begeisterung entsteht von ganz allein, und meistens nicht für einen Gedanken, sondern für etwas Lebendiges. Wer beispielsweise eine Sprache lernen will, sollte sich nicht in der nächsten Volkshochschule anmelden, sondern lieber einen Liebhaber oder eine Geliebte suchen, mit dem oder der man sich ausschließlich in dieser Sprache verständigen kann. Im Bett, gemeinsam mit einem realen Menschen, lernt es sich leichter als am Schreibtisch.
MATERIE
GARTENARBEIT
Ich sollte mehr im Haus und/oder im Garten tun. Wer mit diesem Gedanken mehr Zeit verbringt als mit der tatsächlichen Gartenarbeit, sollte besser sein Haus und den Garten verkaufen!
Auch wenn man gerade nicht an sich arbeitet, schleppt man eine Reihe von Vorhaben mit sich herum, die der Umsetzung harren. Selten ist einem bewusst, wie viel Energie es einen kostet, die Stimme zu ignorieren, die unablässig mahnt: Du wolltest doch abnehmen, eine Woche keinen Wein mehr trinken, keinen Industriezucker mehr essen, weniger fernsehen und mehr Sport treiben. Energie, die man auch für etwas anderes verwenden könnte.
Statt also Schlacken im und am Körper abzubauen, Keller, Haus und Seele aufzuräumen, wird es höchste Zeit, die guten Vorsätze auszusortieren: Welche Vorhaben sind älter als drei Jahre alt, ohne dass man sie bisher in den Alltag integriert hätte? Weg damit. Welche Vorhaben haben sich inzwischen erledigt, und in welchem Punkt haben sich Körper und Geist so weiterentwickelt, dass das ehemals angestrebte Ziel nicht mehr ohne ein Wunder erreicht werden kann?
Streichen Sie so viele Vorsätze wie möglich von Ihrer inneren Projektliste. Ein für allemal. Werfen Sie den Stapel aus ungelesenen Zeitungen und Büchern in die Papiertonne. Eliminieren Sie Pflichttermine für Kultur und Sport aus Ihrem Kalender. Werfen Sie kaputte Gegenstände weg, die Sie schon lange reparieren wollen, aber bis heute nicht repariert haben. Kleidung, die Sie sich gekauft haben, um sich für Ihr künftiges Traumgewicht zu belohnen, und die Ihnen immer noch nicht passt, können Sie getrost entsorgen oder verkaufen. Das regelmäßige Tagebuchschreiben quält Sie, aber Sie tun es dennoch, weil Sie glauben, es sei gut für Ihre Seelenhygiene? Lassen Sie es!
Alles, was Sie sich jemals vorgenommen haben, sollte ganz neu auf den Prüfstand gestellt werden. Insbesondere, wenn Sie mit Ihren Vorhaben Ihre Mitmenschen beglücken möchten. Denn nicht alles, was theoretisch sinnvoll und vernünftig erscheint, erfüllt diesen Anspruch auch in der Praxis. Und was die Bedürfnisse anderer Menschen angeht, kann man sich gewaltig irren.
In der Zeit, als meine Schwester und ich die Grundschule besuchten, war die Stimmung in unserer Familie nicht optimal. Eine Familienbesprechung wurde einberufen. Mit ernstem Gesicht verkündete unsere Mutter, dass sie beschlossen habe, vieles müsse sich ändern. Sie wünsche sich, dass unser Zusammenleben schöner und harmonischer werde, und sie habe sich diesbezüglich Gedanken gemacht. Gespannt erwarteten wir ihre Vorschläge, das hörte sich großartig an. Es gab vieles, was unserer Meinung nach verbesserungswürdig war, zum Beispiel würden wir gerne öfter bei unseren Freundinnen übernachten oder abends länger draußen bleiben. Auch die
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