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Ich bleib so scheiße, wie ich bin

Ich bleib so scheiße, wie ich bin

Titel: Ich bleib so scheiße, wie ich bin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Niazi-Shahabi
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Rock ’n’ Roll reichlich zur Verfügung gestellt werden (man das also nicht selber mitbringen muss), sind es die Biedermänner, die am stärksten auf die Kacke hauen. Doch leider tritt auf dem Höhepunkt ihrer Ekstase ihre Biederkeit zutage – wie vor ein paar Jahren in Budapest auf der Party der damaligen Hamburg-Mannheimer Versicherung, wo die Prostituierten nach jedem Gang aufs Zimmer abgestempelt wurden wie die Lochkarten am Montagmorgen in der Firma.
    – Modeschauen, Messen, Vernissagen und Empfänge ziehen den Kleinbürger an, der dort beweist, wie wichtig es ihm ist, sich in der Nähe von Prominenten aufzuhalten. Je dichter man an einen so genannten VIP herankommt, desto langweiliger die Leute, die dort herumstehen und versuchen, mit ihrem Handy Fotos zu machen, auf denen sie mit Karl Lagerfeld oder Lothar Matthäus zu sehen sind.
    – Im Fitnessstudio betreiben nicht diejenigen, die ihren Körper am meisten lieben, den größten Körperkult, sondern diejenigen, die ihn als etwas betrachten, das man beherrschen und kontrollieren muss.
    – Dass die Teilnehmer von Glücksseminaren, Retreats und Selbsterfahrungsreisen sich in Wirklichkeit oft verzweifelt und unglücklich fühlen, wird in dem Kinofilm Hotel Very Welcome von Sonja Heiss wunderbar dargestellt. So sieht man die Hauptfigur Marion in einem indischen Ashram zusammen mit anderen tanzen und in spirituellen Sitzungen das Glück beschwören. Doch kaum ist sie wieder allein in ihrem Zimmer, bricht sie zusammen.
    – Wer einmal in seinem Leben auf die Idee gekommen ist, sich für eine gute Sache einzusetzen, weiß: In politischen Gruppierungen mit einem sozialen Anliegen wird oft bis aufs Blut gestritten. Falls Sie Beweise benötigen, tragen Sie sich in die Mailingliste einer Partei Ihrer Wahl ein, und verfolgen Sie die Diskussionen der Teilnehmer – siehe auch mein Buch »Bündnispartner gesucht«.
    – Auf buddhistischen Veranstaltungen versammeln sich meist die Menschen, die sich vor allen um sich selbst drehen – und das, obwohl sie mitunter seit Jahrzehnten ihre Ich-Bezogenheit bekämpfen. Sie fühlen sich jedem Neuankömmling überlegen, weil ihr Ego schon viel kleiner ist als das von denen, die noch nicht so lange an sich arbeiten. Darauf ist ihr kleines Ego stolz.
    – Im Fan-Club des Eisbären Knut waren Menschen Mitglied, die vor Liebe zu dem inzwischen verstorbenen Eisbären schier zerplatzen. Wie Furien kämpften sie um Privilegien, wie etwa dem Bären Fisch zu spenden, und kannten mit ihren Konkurrenten kein Pardon.
    Es gibt Schlimmeres, als nicht besonders kreativ, lustig, kontaktfreudig, sportlich oder gelassen zu sein. Fehler, wie gehemmt und einfallslos zu sein oder sich die meiste Zeit des Tages unzufrieden zu fühlen und mit anderen Menschen nicht wirklich auszukommen, sind absolut verzeihlich. Unangenehm werden diese Eigenschaften erst, wenn man versucht, sie zu überwinden: Warnende Beispiele von Menschen, die tagtäglich gegen ihre ungeliebten Eigenschaften ankämpfen und offensichtlich nicht bemerken, dass sie diese damit erst recht herausstreichen:
    – Der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff versuchte ständig, seine Kleinbürgerlichkeit zu verbergen. Nur dem Kleinbürger ist es wichtig, bekannte Persönlichkeiten zu kennen und seine Freunde zu nennen. Die Freude darüber, nun endlich auch dazuzugehören, vernebelte ihm den Verstand. Christian Wulff begriff nicht, dass nicht er, sondern seine Position als Minister und später als Bundespräsident gemeint war, wenn andere freundlich zu ihm waren und seine Nähe suchten – wie zum Beispiel der Chefredakteur der Bildzeitung Kai Diekmann. Als die Bildzeitung über den fragwürdigen Hausbau-Kredit, den Wulff von dem Unternehmer Egon Geerkens erhalten hatte, berichten wollte, beschwerte sich Christian Wulff bei Kai Diekmann und hinterließ wütende Worte auf dessen Anrufbeantworter. Wulff muss bis zu diesem Zeitpunkt geglaubt haben, er sei mit Diekmann befreundet. Mit dem Chefredakteur der Bild befreundet zu sein – das kann nur ein Kleinbürger glauben!
    – Anstatt zu seiner extremen Eitelkeit zu stehen, gibt Karl-Theodor zu Guttenberg den selbstkritischen Intellektuellen, der sich ständig hinterfragt und die anstehenden Aufgaben höher stellt als seine eigenen Interessen. Als die Sache mit seiner abgeschriebenen Doktorarbeit aufflog, tat er Buße. Aber immer schön vor Publikum und sorgsam auf die Außenwirkung bedacht.
    – Der Politiker Oswald Metzger (SPD, Grüne,

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