Ich bleib so scheiße, wie ich bin
wollen Menschen etwas an sich ändern, von dessen Vorteilen sie und ihre Umgebung tagtäglich profitieren.
Wir sind darauf gepolt, das Negative zu sehen, unser Gehirn ist ständig mit der Fehlersuche beschäftigt und bewertet die negativen Seiten einer Sache immer stärker als die positiven, erklärt der Psychologe und Persönlichkeitscoach Werner Katzengruber.
Wer also etwas an sich entdeckt hat, was ihn stört, sollte vielmehr überlegen, worin der Vorteil an dieser von ihm so ungeliebten Eigenschaft liegen könnte.
Ich habe die Erfahrung gemacht,
dass Leute ohne Laster
auch sehr wenige Tugenden haben.
Abraham Lincoln
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Was würden Sie am liebsten eher heute als morgen an sich ändern? Wenn Sie in dieser Liste etwas finden, von dem Sie gerne etwas mehr hätten, schauen Sie auf die rechte Spalte – und denken Sie darüber nach, ob Sie auf den Vorteil Ihrer Schwäche verzichten könnten.
Freundlichkeit
Souveränität
Interesse an Menschen
Leistungsbereitschaft
Ausgeglichenheit
Kreativität
Eleganz
Geduld
Gelassenheit
Originalität
Fähigkeit zur Selbstkritik
Versöhnlich sein
weniger Schulden machen
Durchsetzungsvermögen
Empfindsamkeit
Unabhängigkeit
Genussfähigkeit
Temperament
Organisationstalent
Ausgelassenheit
Effizienz
Engagement
Routine
Selbstbewusstsein
höherer Anspruch an sich selbst
mit finanziellem Druck umgehen können
Meine ehemalige Vermieterin hätte sich also besser als Leiterin einer Müllsortierungsanlage bewerben sollen, als zu versuchen, ihre Zwanghaftigkeit zu besiegen.
Leider ist die Gesellschaft noch nicht so weit, dass viele Arbeitgeber Neurosen bei der Auswahl ihrer Mitarbeiter berücksichtigen und die Vorteile dieser leichten seelischen Deformationen gezielt nutzen. Eine Ausnahme ist die Schweizer Firma Asperger Informatik , die bevorzugt Menschen mit dem Asperger-Syndrom beschäftigt, da sie oft über außergewöhnliche mathematisch-analytische Begabungen und außerdem über extreme Konzentrations- und Fokussierungsfähigkeit verfügen. Dafür sind sie in der Regel unspontan und lieben einen geregelten Tagesablauf, was eigentlich kein großes Problem darstellen sollte.
Kollegen mit Persönlichkeitsstörungen sind häufig kreativer und offener für ungewöhnliche Lösungen, das haben die amerikanischen Psychologen Bradley Folley und Sohee Park in einer Studie herausgefunden. Sie sind zwar nicht überall beliebt, denn sie sind oft unnahbar, humorlos und tragen komische Kleidung, dazu sind sie auch noch misstrauisch und reizbar. Aber das muss man halt in Kauf nehmen.
Menschen mit der Diagnose »Depression« können Krisensituationen durch ihre pessimistische Lebenssicht deutlich besser einschätzen und auch vorhersagen. Das wurde in zahlreichen wissenschaftlichen Studien nachgewiesen. Depressive sollten aber nicht gezwungen werden, sich gegen andere Mitbewerber durchzusetzen, Begeisterung zu heucheln, wo sie keine empfinden, oder jeden Tag acht oder mehr Stunden konzentriert zu arbeiten. Nur so könnten sie der Gesellschaft zeigen, was in ihnen steckt.
Stattdessen wird in Therapien von ihnen verlangt, sie sollten die Welt nicht realistisch, sondern unrealistisch sehen, nämlich positiv. Wie bereits mehrfach dargelegt, vergrößert solcherlei Bemühen das Problem. Ein Depressiver, der versucht, positiv zu denken, wird irgendwann zu der Überzeugung gelangen: Nicht einmal positiv denken kann ich, ich bin aber wirklich zu gar nichts nutze.
Eine gute Schwäche ist besser
als eine schlechte Stärke.
Charles Aznavour
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Es ist geradezu unheimlich, wie man, kaum versucht man die Grenzen seiner Persönlichkeit ein wenig auszuweiten, immer wieder auf den Ausgangspunkt zurückgeworfen wird. Einen Ausgangspunkt, den man dadurch überhaupt erst kennenlernt. Normalerweise macht man diese Erfahrung zum ersten Mal in der Pubertät, wenn man beginnt, sich Gedanken darüber zu machen, wer man überhaupt ist und wer man gerne wäre. Das unlösbare Problem der Selbstgestaltung stellt sich dann ungefähr so dar:
Es gibt Typen, die sind souveräner und cooler als man selbst, beziehungsweise Mädchen, mit denen alle coolen Typen zusammen sein wollen. Man fragt sich daher, was man an sich ändern könnte, um ebenfalls so cool oder anziehend zu wirken; wie man gehen und stehen, was man tun und sagen, was man anziehen, essen, rauchen, trinken könnte, um tiefen Eindruck auf seine Umgebung zu machen.
Irgendwann dämmert es einem, dass es gerade die Beschäftigung mit dieser
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