Ich bleib so scheiße, wie ich bin

die Ursachenforschung. In den Achtzigerjahren war es modern, zu vermuten, man sei in der Kindheit Opfer von sexuellem Missbrauch gewesen, den man vollkommen verdrängt habe, und der einen unfähig macht, Liebe zu empfangen und zu geben.«
    Das Kindheitstrauma verhindert dann, dass es mit der Liebe nicht »klappt«. Daraus entwickelt sich eine große und schwierige Aufgabe, denn jeder weiß ja, dass die Kindheitserfahrungen fürs Leben prägen und sich so leicht nicht verarbeiten lassen. Die Bewältigung dieser biografischen Belastung nimmt viel Zeit und Kraft in Anspruch, und teuer ist sie mitunter auch. Aber ob das Leben dadurch leichter und die Beziehungen romantischer werden, ist ungewiss.
    Doch die viel bemühten Therapeuten wissen auch nicht weiter. Eine von mir interviewte Psychologin und Psychotherapeutin, die nicht namentlich genannt werden will, meinte, sie könne es nicht mehr ertragen, dass 95 Prozent ihrer Klienten über nichts anderes reden als über Beziehungsprobleme – und das über Jahre und ohne dass sich etwas ändert. Im Familienviertel Berlins, dem Prenzlauer Berg, sind Paartherapeuten ausgebucht.
    Die Idee, dass sie selbst es seien, die dem Ideal der romantischen Liebe nicht entsprechen, lässt viele Menschen zweimal die Woche zum Therapeuten rennen, um ihre Unzulänglichkeit wegtherapieren zu lassen, erklärt die israelische Soziologin Eva Illouz in einem ihrer Interviews zu ihrem neuen Buch Warum Liebe wehtut .
    Was für so viele problematisch ist, kann doch eigentlich keine individuelle Herausforderung mehr sein. Handelt es sich dabei nicht vielmehr um ein gesellschaftliches Problem? Für Eva Illouz ist die Art, wie wir lieben beziehungsweise nicht lieben, abhängig von den gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen wir leben. Die Soziologin interessiert sich nicht für individuelle Liebesprobleme, sie versucht herauszufinden, wie die meisten Männer und Frauen über Liebe und Glück, Romantik und Beziehung denken und wie sie zu ihren Überzeugungen gekommen sind. Sie analysiert Zeitungen und Frauenzeitschriften, Romane, Kinofilme, Fernsehserien und die Gespräche mit ihren Interviewpartnern und stellt fest: »Früher wurde das gebrochene Liebesversprechen geächtet, das war eine moralische Verfehlung«, heute sei es umgekehrt: Das Stehenbleiben, das Nichtentwickeln, kaschiert durch eine nur lausig betriebene Selbstoptimierung, werden sanktioniert. »Und weil wir unsere Position in der Welt ausschließlich aus uns selbst ableiten müssen«, sagt Illouz, »sind wir so unsicher und verletzlich wie nie zuvor . . .«
    Heute müssen wir uns also vorbereiten auf die Liebe und uns die glückliche Beziehung durch harte Arbeit an uns selbst verdienen. Wir müssen in unserer Seele aufräumen, in unserer Kindheit herumwühlen, Verhaltensmuster analysieren und ausmerzen, bevor wir die Liebe erleben dürfen.
    Und sogar aus einer Trennung müssen wir noch das Beste herausschlagen: Da muss an der Trennung gewachsen, da müssen Lehren für die Zukunft gezogen werden, bevor man sich auf die Suche nach einem neuen Partner macht; zum Beispiel nach einem Partner, der einen noch konsequenter bei der Weiterentwicklung unterstützt.
    Aber was ist, wenn ich mich durch eine Trennung nicht weiterentwickelt habe? Wenn ich nichts aus der alten Beziehung gelernt habe und mich einfach nur schrecklich fühle? Und der nächste Partner nicht besser, sondern schlechter ist? Was mache ich dann?
FRAGE: MÖCHTEN SIE MIT DIESER PERFEKTEN
PERSON BEFREUNDET SEIN?
    In einer Frauenzeitschrift fand ich einmal einen Persönlichkeitstest, es ging um Beziehungsfähigkeit. Wenn man die »richtigen« anerkannten Antworten ankreuzte, erhielt man ungefähr folgendes Persönlichkeitsprofil. Sie können selbst überlegen, ob Sie es aushalten würden, mit einer solch perfekten Frau befreundet zu sein:
    Sie können mit Brüchen und Trennungen umgehen. Ganz gleich, wie groß Ihr Schmerz ist, Sie sind in der Lage, auch aus Trennungen eine positive Erfahrung zu ziehen. Sie haben keine Angst, eine Beziehung oder Freundschaft einzugehen, nur, weil Sie daran denken müssen, dass sie auch einmal zu Ende gehen könnte. Sie sind immer mit vollem Herzen dabei. Gleichzeitig, und das ist eine ganz besondere Qualität von Ihnen, meistern Sie aufkommende Differenzen mit Unparteilichkeit und Objektivität. Wenn ein Liebhaber oder Ihr Freund Ihnen plötzlich den Lauf pass gibt, fragen Sie nach dem Grund. Ihr Interesse ist aufrichtig, denn Sie wollen nicht