Ich bleib so scheiße, wie ich bin
Sie lediglich aufgrund diverser widriger Umstände nicht ausleben konnten bzw. können? Ja
Können Sie sich mit unangenehmen Erlebnissen in Ihrer Vergangenheit leichter aussöhnen, wenn Sie das Gefühl haben, dass diese trotz allem zu etwas gut gewesen
sind? Ja
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FÜR ALL DIE BLÖDEN TYPEN SIND SIE GUT GENUG
WARUM SELBSTOPTIMIERUNG IN DER LIEBE
NICHTS ZU SUCHEN HAT
Mit dreißig Jahren erkrankte der amerikanische Mathematiker John Forbes Nash an einer schizophrenen Psychose. Die Stabilisierung seines geistig-seelischen Zustands nahm fast drei Jahrzehnte in Anspruch. 1994 erhielt er den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften, eine kleine Sensation, da es normalerweise keinen speziellen Nobelpreis für Mathematiker gibt. Seine Nash-Gleichung revolutionierte jedoch die Spieltheorie, mit der sich das konkrete Verhalten von Individuen in wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhängen vorhersagen lässt.
Zu seinem Ausnahmetalent kam die Schizophrenie. Es ist nicht auszuschließen, dass die Krankheit, die ihn wertvolle Lebenszeit kostete, diese außergewöhnliche Begabung begünstigt hat. Denn Schizophrene können, was Nicht-Schizophrene nicht können: viele Informationen gleichzeitig aufnehmen, ohne sie schon im Vorhinein in unwichtig oder wichtig zu filtern.
Eine der Hauptleistungen des Gehirns ist nämlich die Aufrechterhaltung einer klaren Linie im Denken und Handeln. Dafür müssen bestimmte Umweltreize vom Gehirn unterdrückt, andere wieder hervorgehoben werden. Zum Beispiel ist das Schreien eines Babys oder der Geruch nach Feuer wichtiger als das Murmeln und Lachen von Unbekannten, die hinter einem im Bus sitzen. In akuten schizophrenen Phasen ist diese Funktion des Gehirns jedoch gestört, es kommt zu einem Bombardement mit Informationen, und für die Betroffenen wird es unmöglich, sich auf etwas zu konzentrieren, das heißt, die Aufmerksamkeit auf etwas Bestimmtes zu richten. Alles – auch das Nebensächlichste – wird plötzlich bedeutsam.
Man kann sich vorstellen, was diese Reizüberflutung im Kopf eines Genies anrichtet. Mit einem Mal werden Assoziationen zwischen Dingen möglich, die einem nicht schizophrenen Menschen wortwörtlich nie in den Sinn kämen, denn nahezu 90 Prozent von dem, was wir wahrnehmen, wird schon im Vorhinein durch unsere Filter im Gehirn aussortiert, bleiben also unbewusst.
Aus den Schilderungen vieler Betroffener weiß man, dass es durch diese Reizüberflutung zu dem Gefühl kommen kann, dass die Realität fremd und unecht sei. Im nächsten Schritt sucht der Erkrankte nach Erklärungen für dieses unheimliche Erleben. Diese dann Wahnbildung genannten Erklärungen sind somit der völlig verständliche Versuch, Ordnung in dieses Chaos von Eindrücken und frei fluktuierenden Gedanken zu bringen. Weil der Schizophrene also die Normalität in seinem Kopf wiederherstellen will, entwickelt er das, was Außenstehende als verrückt wahrnehmen.
Auch John Nash musste eine Erklärung dafür finden, dass ihm plötzlich jede Kleinigkeit in seiner Umgebung auffiel: Der Mann auf der Straße, der an ihm vorüberging und nicht grüßte, ein Zettel auf dem Fußboden im Flur seiner Universität, die Zusammenstellung des Menüs in der Mensa, eine kleine Anzeige in der Zeitung, eine Radiomeldung, die Tauben auf dem Campus, die Lage der Stifte auf seinem Schreibtisch. Alles, was er sah und hörte, musste in einen sinnvollen Zusammenhang gebracht werden. Es schien sich um geheime Botschaften an ihn zu handeln. Er erkannte in allem komplexe Muster, Schwarmbewegungen und vielschichtige Strukturen. Schließlich steigerte er sich in den Wahn hinein, er entschlüsselte im Auftrag der amerikanischen Regierung Geheimcodes sowjetischer Agenten.
Schizophrene suchen also nach Mustern, um ihr Weltbild zu retten. Wer aber nicht schizophren ist, für den ergibt dieses Verhalten keinen Sinn. Schon gar nicht, wenn man kein mathematisches Genie ist und aus diesem Treiben irgendeinen Zweitnutzen ziehen könnte. Dennoch werden weite Kreise der Bevölkerung tagtäglich dazu aufgefordert, das Verhalten anderer Menschen im übersteigerten Maße auf sich zu beziehen und Zusammenhänge zu erkennen, wo keine sind. Aber nicht im Handbuch für Geheimagenten, sondern in Liebesratgebern und Frauenzeitschriften. In diesen Medien werden die schizoiden Wahnvorstellungen verbreitet und von begeisterten Leserinnen und Lesern kommentiert – meistens sind es Frauen, die empfänglich für solche Musterdiskussionen sind, weil
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