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Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Titel: Ich. Darf. Nicht. Schlafen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. J. Watson
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habe. Ich weiß nicht, ob es mir gelingt.
    Ich beschloss, vor dem Abendessen ein Bad zu nehmen. Ich verriegelte die Badezimmertür hinter mir und sah mir rasch die Fotos rings um den Spiegel an. Ich drehte den Heißwasserhahn auf.
    An den meisten Tagen kann ich mich offenbar gar nicht an Adam erinnern, doch heute war er mir sofort in den Sinn gekommen, nachdem ich bloß ein einziges Bild gesehen hatte, von mir in einer alten Zeitung. Sind die Fotos um den Spiegel daraufhin ausgewählt, dass sie mich in meinem jetzigen Selbst verankern sollen, ohne mich daran zu erinnern, was ich verloren habe?
    Der Raum füllte sich mit heißem Dampf. Ich konnte meinen Mann unten hören. Er hatte das Radio angemacht, und Jazzklänge drangen zu mir herauf, verschwommen und undeutlich. Darunter konnte ich das rhythmische Schneiden eines Messers auf einem Brett hören. Mir wurde klar, dass wir noch nichts gegessen hatten. Er schnitt bestimmt Möhren, Zwiebeln, Paprika klein. Machte Abendessen, als wäre das ein ganz normaler Tag.
    Für ihn ist es ein normaler Tag, begriff ich. Ich bin voller Trauer, er aber nicht.
    Ich nehme es ihm nicht übel, dass er mir nicht jeden Tag aufs Neue von Adam erzählt, von meiner Mutter, Claire. An seiner Stelle würde ich es genauso machen. Es sind schmerzhafte Dinge, und wenn ich einen ganzen Tag verbringen kann, ohne mich daran zu erinnern, bleibt mir der Kummer erspart und ihm die Qual, ihn zu verursachen. Wie verlockend es für ihn sein muss, zu schweigen, und wie schwer für ihn, mit dem Wissen zu leben, dass ich diese scharfkantigen Erinnerungssplitter ständig mit mir herumtrage, überall, wie winzige Bomben, und dass jederzeit einer die Oberfläche durchstoßen und mich zwingen kann, den Schmerz zu durchleben wie beim allerersten Mal und ihn mitzureißen.
    Ich zog mich langsam aus, faltete meine Kleidung zusammen, legte sie auf den Stuhl neben der Wanne. Nackt stellte ich mich vor den Spiegel und betrachtete meinen fremden Körper. Ich zwang mich, die Falten in meiner Haut anzusehen, die hängenden Brüste. Ich kenne mich selbst nicht, dachte ich. Ich erkenne weder meinen Körper noch meine Vergangenheit.
    Ich trat näher an den Spiegel. Da waren sie, quer über meinem Bauch, auf meinen Pobacken und auf meinen Brüsten. Dünne, silbrige Streifen, die gezackten Narben der Geschichte. Ich hatte sie vorher nicht wahrgenommen, weil ich nicht nach ihnen gesucht hatte. Ich stellte mir vor, wie ich ihr Wachstum registrierte, mir wünschte, dass sie verschwänden, während mein Körper sich weiter ausdehnte. Jetzt bin ich froh, dass sie da sind; eine Erinnerung.
    Mein Spiegelbild verschwand allmählich im Dampf. Ich kann von Glück sagen, dachte ich. Ich kann von Glück sagen, dass ich Ben habe, dass ich jemanden habe, der für mich da ist, hier, in meinem Zuhause, auch wenn ich es nicht als mein Zuhause in Erinnerung habe. Nicht nur ich leide. Er hat heute das Gleiche durchlitten wie ich, aber er wird mit dem Wissen ins Bett gehen, dass ihm vielleicht morgen das Ganze erneut bevorsteht. Ein anderer hätte womöglich nicht die Kraft oder den Willen gehabt, das auszuhalten. Ein anderer Ehemann hätte mich womöglich verlassen. Ich starrte in mein Gesicht, als wollte ich mir das Bild ins Gehirn brennen, um es dicht unter der Oberfläche zu halten, so dass es mir morgen beim Aufwachen nicht so fremd ist, so erschreckend. Als es völlig verschwunden war, wandte ich mich von mir ab und stieg ins Badewasser.
    Ich schlief ein. Ich träumte nicht – zumindest glaubte ich nicht, dass ich geträumt hatte –, doch als ich wach wurde, war ich verwirrt. Ich war in einem anderen Badezimmer, das Wasser noch warm, ein Klopfen an der Tür. Ich schlug die Augen auf und erkannte nichts. Der Spiegel war schlicht und schmucklos, an weißen Fliesen verschraubt statt an blauen. Ein Duschvorhang hing von einer Stange über mir, zwei Gläser standen umgedreht auf einem Regal über dem Waschbecken, und neben der Toilette war ein Bidet.
    Ich hörte eine Stimme. »Ich komme«, sagte sie, und ich merkte, dass es meine war. Ich setzte mich in der Wanne auf und blickte zu der verriegelten Tür. Zwei Bademäntel hingen an Haken an der Wand gegenüber, beide weiß, identisch, bestickt mit dem Monogramm R. G. H. Ich stand auf.
    »Nun komm endlich!«, ertönte eine Stimme von außerhalb der Tür. Es klang wie Ben, aber gleichzeitig auch nicht wie Ben. Die Stimme wurde zu einem Singsang. »Komm endlich! Komm endlich, komm endlich,

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