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Ich darf nicht vergessen

Ich darf nicht vergessen

Titel: Ich darf nicht vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice LaPlante
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immer noch an der Tür und winkt ab, als ein Mann ihr einen leeren Stuhl anbietet.
    Wo waren Sie am sechzehnten und am siebzehnten Februar?
    Ich kann mich nicht erinnern.
    Meine Anwältin schaltet sich ein.
    Diese Frage wurde ihr bereits wiederholt gestellt. Sie hat sie beantwortet, so gut es ihr möglich ist. Wie Sie wissen, leidet Dr. White an Demenz. Sie wird nicht in der Lage sein, viele Ihrer Fragen zu beantworten.
    Verstanden. Wann haben Sie Ihr Skalpell zum letzten Mal benutzt?
    Das weiß ich nicht. Es ist schon eine Weile her.
    Sie waren orthopädische Chirurgin, richtig?
    Das ist richtig. Eine der besten.
    Der Mann gestattet sich ein Lächeln.
    Und Sie waren auf Hände spezialisiert?
    Handchirurgie, ja.
    Was würden Sie hierzu sagen? Er reicht mir ein paar Fotos. Ich betrachte sie.
    Die Hand eines Erwachsenen. Einer Frau. Mittelgroß. Der Daumen ist der einzige verbliebene Finger. Die anderen wurden an den Mittelhandgelenken abgetrennt.
    Wie würden Sie die Schnitte charakterisieren?
    Sauber. Aber nicht kauterisiert. Nach der Menge geronnenen Bluts zu urteilen wurden sie nicht fachgerecht abgetrennt. Trotzdem ist es die Arbeit eines Experten.
    Welche Art Messer wurde Ihrer Meinung nach benutzt?
    Das lässt sich anhand der Fotos unmöglich feststellen. Ich persönlich würde für eine Amputation Klingengröße zehn benutzen, aber es sieht nicht so aus, als wären diese Finger aus therapeutischen Gründen entfernt worden.
    Befindet sich hier drin eine Klinge Größe zehn? Er zeigt auf die Plastiktüte.
    Selbstverständlich.
    Warum selbstverständlich?
    Weil es die am besten geeignete Klinge für die meisten chirurgischen Eingriffe ist. Davon hat man immer eine griffbereit.
    Sie wissen, um welche Hand es sich handelt, nicht wahr? Wessen Hand das ist?
    Ich schaue meine Anwältin an. Ich schüttle den Kopf.
    Es ist die Hand von Amanda O’Toole.
    Amanda?
    Genau.
    Meine Amanda?
    Richtig.
    Ich bin sprachlos. Ich schaue die junge Frau an, die ihren Arm um meine Schultern gelegt hat. Sie nickt.
    Wer kann denn so etwas getan haben?
    Das versuchen wir herauszufinden.
    Wo ist sie? Ich muss sie sehen. Haben Sie die Finger? Bei so sauberen Schnitten ist eine Replantation vielleicht noch möglich.
    Ich fürchte, das wird nicht möglich sein.
    Das Zimmer zieht sich zusammen. Irgendwie weiß ich, was er jetzt sagen wird. Diese Fotos. Das Polizeirevier. Eine Anwältin. Mein Skalpellgriff. Die Klingen. Amanda. Ich schließe die Augen.
    Meine Tochter/Nichte ergreift das Wort. Wie oft wollen Sie ihr das denn noch antun? Wie grausam sind Sie eigentlich?
    Wir haben keine Wahl. Nachdem Detective Luton die Klingen gefunden hatte, blieb uns nichts anderes übrig.
    Sie meinen, nachdem meine Mutter ihr das Skalpell ausgehändigt hatte. Hätte sie das getan, wenn sie schuldig wäre?
    Vielleicht. Wenn sie sich nicht an die Tat erinnert. Er wendet sich mir zu.
    Haben Sie Amanda O’Toole getötet?
    Ich antworte nicht. Ich betrachte meine Hände. Unversehrt und nicht mit Blut beschmiert.
    Dr. White, hören Sie mir zu: Haben Sie Amanda O’Toole getötet und ihr anschließend vier Finger abgeschnitten?
    Ich kann mich nicht erinnern, antworte ich. Aber es gibt Bilder, die mir keine Ruhe lassen.
    Der Mann beobachtet mich aufmerksam. Ich schaue ihm in die Augen und schüttle den Kopf.
    Nein. Nein. Natürlich nicht.
    Sind Sie sich da auch ganz sicher? Einen Augenblick lang …
    Meine Mandantin hat Ihre Frage beantwortet. Bedrängen Sie sie nicht. Sie ist krank.
    Einer der anderen Männer, eher klein und blond, der, der eben den Energy Drink getrunken hat, mischt sich ein.
    Merkwürdig, dass sie sich an einige Dinge erinnert und an andere nicht.
    Das ist typisch für Alzheimer, sagt die Frau, die neben mir sitzt. An manchen Tagen kann sie klar denken, an anderen ist sie verwirrt.
    Ich hätte aber schwören können, dass sie sich eben an etwas erinnert hat.
    Er wendet sich mir zu.
    Ist Ihnen eben etwas eingefallen?
    Ich schüttle den Kopf. Ich schaue geradeaus, anstatt ihn anzusehen. Ich lege meine schwitzenden Hände in meinen Schoß. Unter dem Tisch.
    Meine Anwältin steht auf. Werden Sie gegen meine Mandantin Anklage erheben?
    Der erste Mann zögert, dann schüttelt er den Kopf. Wir müssen ein paar Tests durchführen.
    Es gefällt mir nicht, wie die Frau neben mir und die Anwältin sich ansehen. Wir stehen alle

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