Ich darf nicht vergessen
sie zuerst eine ganze Weile aneinander vorbeigeredet, dann hat Mom ihn fortgeschickt. Jetzt fragt er sich, was hier gespielt wird.
Wenn er klug ist, kann er über das Krankenhaus herausfinden, was mit Mom los ist, sagt Fiona. Und dann haben wir es ja noch mit dem Leck bei der Polizei zu tun. Auf jeden Fall sollten wir es weder diesem Journalisten noch sonst jemandem leichtmachen.
Was mit mir los ist?, frage ich. Ich bin aufgestanden. Ich sage euch, was mit mir los istâ ich bin stinkwütend.
Es wundert mich, dass niemand mich ansieht. Verzeihung, sage ich, knapp und betont leise. Auf diese Weise verschaffe ich mir im OP unweigerlich Gehör. Aber diesmal funktioniert es nicht.
Keine Nachlässigkeiten mehr, sagt Mark gerade und schaut dabei Magdalena an. Verstanden? Beim dritten Mal werden Sie gefeuert. Das war das erste Mal.
Magdalenas Atem geht unregelmäÃig. Ja, sagt sie. Verstanden.
Selbst Fiona, die sonst mir gegenüber so aufmerksam und anderen gegenüber so liebenswürdig ist, macht eine strenge Miene. Das ist von jetzt an Ihre erste Pflicht, sagt sie zu Magdalena. Der Schutz der Familie.
W ir schauen uns Ãpfel an. Pyramiden aus Ãpfeln, alle möglichen verschiedenen Sorten, Farben, GröÃen. Daneben Pyramiden aus grünen Birnen, violetten Birnen. Dann Apfelsinen. Wer stapelt die Früchte so sorgfältig? Wer hält sie in Ordnung?
Ich nehme einen Apfel, einen roten, und beiÃe hinein. Er hat einen bitteren Nachgeschmack. Ich spucke das Stück aus, nehme mir einen anderen und probiere den. Ein kleines Mädchen sieht mir zu. Mama, die Frau wirft Essen weg. Schsch, macht die Mutter, aber das Mädchen lässt nicht locker. Und warum zieht sie ihr Kleid aus?
Jennifer! Ich drehe mich um. Eine groÃe, blonde Frau kommt auf mich zugerannt. Erschrocken stoÃe ich gegen die Ãpfel, die Pyramide bricht zusammen, sie fallen von dem Stand auf meine FüÃe, Dutzende Ãpfel kullern in alle Richtungen.
Ziehen Sie sich wieder an! Warum denn? Jennifer, nein, nicht schon wieder. Bitte, lassen Sie Ihre Unterhose an. O Gott, die werden wieder die Polizei rufen. Ein dicker Mann kommt herbeigeeilt. Maâam?, sagt er zu mir. Die Blondine unterbricht ihn. Sie hat Demenz. Sie weià nicht, was sie tut. Hier. Das ist ein ärztliches Attest.
Die Blondine zieht einen zerknitterten Umschlag aus ihrer Handtasche. Sie öffnet ihn hastig und hält dem Mann ein Blatt Papier hin. Er liest mit gerunzelter Stirn. Okay, aber ziehen Sie sie an, und schaffen Sie sie hier raus. Was haben Sie sich überhaupt dabei gedacht, sie mit hierherzubringen, wenn Sie wissen, dass so was passieren kann?
Normalerweise ist sie ganz lieb. Das kommt nur manchmal vor â¦
Immerhin so oft, dass Sie ein ärztliches Attest in der Tasche haben müssen!
Ja, aber â¦
Schaffen Sie sie hier raus.
Die Blondine zieht mir etwas über den Kopf und über die Hüften, dann hebt sie etwas Kleineres auf, knüllt es zusammen und steckt es in ihre Jackentasche. Als wir den Laden verlassen, höre ich Kinder rufen: Mami, Mami, schau mal!
M ein Notizheft: Fionas Schrift.
Mom, wir hatten heute eine Auseinandersetzung. Und zwar eine, die ich schon seit Jahren mit dir führen wollte, aber nie schien der richtige Moment zu kommen. Ich habe mich immer davor gefürchtet. Aber jetzt ist alles so anders. Selbst wenn du richtig wütend wirst, hält es nicht an. Sogar groÃe Geständnisse kümmern dich neuerdings nicht wirklich. Wir fallen sofort wieder in unsere sicheren, bequemen Rollen zurück. Natürlich war es nicht immer so. Deshalb macht es mir auch jetzt noch ein bisschen Angst, ein Gespräch anzufangen.
Wir haben neulich über mich geredet, über die Zeit, als ich vierzehn war. Erinnerst du dich? Ich war übellaunig, aufsässig, frech. Hab mich vollkommen altersgerecht aufgeführt. Ich bin zweimal abgehauen, wie du weiÃt. Das erste Mal aus einem Wutanfall heraus. Ich habe unser Kindermädchen angebrüllt â wie hieà sie noch? Sophia? Daphne? â, und das Nächste, woran ich mich erinnere, ist, dass ich in der Union Station war und eine Fahrkarte nach New York kaufen wollte. Da haben die Cops mich aufgegriffen. Ich sehe heute viel jünger aus, als ich bin. Ich kann also nur ahnen, wie ich mit vierzehn ausgesehen habe: klein und mager, die Haare so kurz wie ein Junge und mit Gel zu einem Igelkopf frisiert. Mit den ersten meiner
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