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Ich darf Sie nicht lieben, Miss Jessica

Ich darf Sie nicht lieben, Miss Jessica

Titel: Ich darf Sie nicht lieben, Miss Jessica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DOROTHY ELBURY
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vollständig ins Gedächtnis zu rufen, doch zu seinem Ärger wollte ihm das nicht gelingen. Jessica hat recht gehabt mit ihrer Warnung, dass mir der genaue Wortlaut entgleiten würde, wenn ich ihn nicht aufschreibe, dachte er finster und konzentrierte sich umso entschlossener auf seine Aufgabe.
    Wie zum Teufel war der Brief nach dem Satz „hinterlasse dir die Zeche“ weitergegangen? Mit einer unsinnigen Aufforderung, Ashcroft Grange zu retten, glaubte er sich zu erinnern. Und irgendeiner wirren Bemerkung über Plätze, wo sie als Jungen gespielt hatten. Benedict erstarrte, und die Zügel erschlafften in seinen Händen. Als er den Warnruf seines Stallknechts von seinem Sitz hinter dem Wagenkasten vernahm, zuckte er zusammen und konnte mit einem reaktionsschnellen Ausweichmanöver gerade noch einen Zusammenstoß mit einer entgegenkommenden Kutsche verhindern.
    „Das war knapp, Sir“, stellte der Bursche ein wenig erschrocken fest. „Hätte uns um ein Haar das rechte Rad gekostet.“
    „Du hast recht, Berry, entschuldige bitte“, erwiderte Benedict immer noch ein wenig geistesabwesend, während sich ein breites Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete. Oh Theo, jubelte er im Stillen. Du gerissener alter Gauner! Du hast die Urkunde irgendwo versteckt, wo wir als Kinder gespielt haben!
    Doch als er sich die Frage stellte, welchen ihrer Lieblingsschlupfwinkel der Bruder gewählt haben mochte, um ein so wichtiges Dokument zu verbergen, verblasste sein Grinsen und wich einem konzentrierten Stirnrunzeln. Einen nach dem anderen rief er sich die Spielplätze ihrer Jugend in Erinnerung, um sich am Ende eingestehen zu müssen, dass er der Lösung des Rätsels kaum einen Schritt nähergekommen war. Er würde sämtliche Orte, an denen sie als Jungen ihre Freizeit verbracht hatten, gründlich durchsuchen müssen, und das bedeutete eine neuerliche Reise nach Ashcroft Grange – ganz zu schweigen davon, dass er eine Woche oder länger weit weg von Jessica sein würde. Angesichts der Freundschaft, die sie neuerdings mit Miss Draycott pflegte, erschien ihm dies eine höchst beunruhigende Aussicht. Denn bis dass er in der Lage war, Jessica ernsthaft den Hof zu machen, konnte es leicht passieren, dass einer der hoch angesehenen jungen Gentlemen aus Felicitys Zirkel den überwältigenden Reizen Miss Beresfords erlag und ihm und seinem sorgfältig geplanten Glück einen Strich durch die Rechnung machte.

14. KAPITEL

    Ihrer kürzlichen Neubewertung von Lord Wyverns Charakter zum Trotz konnte Jessica sich nicht davon abhalten, bei jeder gesellschaftlichen Zusammenkunft nach ihm Ausschau zu halten. Ebenso wenig vermochte sie zu verhindern, dass Bilder von ihm ihre Träume bevölkerten – sowohl bei Tag als auch bei Nacht. Wiewohl ihre derzeitigen Begleiter charmant und in jeder Hinsicht aufmerksam waren, gab es keinen unter ihnen, der Wyverns heißblütige Lebendigkeit besessen oder ihren Puls allein mit seinem Lächeln zum Rasen gebracht hätte. Es schien, als habe das Schicksal sie dazu verdammt, auf Wüstlinge oder anderweitig verwerfliche Männer hereinzufallen.
    Was vermutlich die Strafe für die Schönheit ist, die mir in die Wiege gelegt wurde, befand sie verdrossen und warf ihrem derzeitigen Kavalier, dem Ehrenwerten Gerald Pevensey, der sie zu einer Ausfahrt in den Hyde Park eingeladen hatte, einen raschen Seitenblick zu. Meine Schönheit, so überlegte Jessica weiter, als sie die selbstzufriedene Miene ihres Begleiters gewahrte, hat mir in der letzten Zeit wahrhaftig mehr Probleme eingebracht, als sie wert ist. Und dabei hatte sie es bis vor gar nicht langer Zeit für vollkommen selbstverständlich erachtet, sich in der Bewunderung der oberflächlichen jungen Herren, die sie hofierten, sonnen zu dürfen – nein, schlimmer noch, wie sie sich zu ihrem Leidwesen eingestehen musste: Sie hatte geglaubt, diese Bewunderung stünde ihr zu!
    Wenn sie genau hinsah, war Lord Wyvern – außer ihrem Bruder Matt jedenfalls – der einzige Mann in ihrem Leben, der es je gewagt hatte, sie zu kritisieren; der einzige, der genügend Selbstvertrauen besaß, ihr Verhalten zu beanstanden und sie dafür zu tadeln. Und obwohl seine gelegentliche Neigung zur Arroganz sie anfangs wütend gemacht hatte, war ihr bald klar geworden, dass ein anerkennender Blick von ihm jedes noch so reizende Kompliment eines anderen Gentleman bei Weitem aufwog.
    Je länger die Gedanken an Lord Wyvern sie beschäftigten, desto mehr sackten Jessicas Schultern herab, und

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