Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen
Lebensunterhalt mit lausigen Gelegenheits-Gigs und schlecht bezahlten Engagements an unbekannten Bühnen. Wer es allerdings regelmäßig ins Fernsehen schaffe, mutiere alsbald zum T V-Superstar und könne sein ohnehin üppiges Salär oft noch mit hochdotierten Werbeverträgen oder lukrativen Buchdeals aufbessern.
Nun ist die glitzernde Medienwelt der Stars, Sternchen und Starlets sicher eine andere als die der nüchternen und auf Seriosität bedachten Wirtschaftslenker. Doch ist der sich selbst verstärkende Prozess, der dabei wirkt (und auch ein wenig an den Matthäus-Effekt erinnert, siehe nächste Seite), durchaus auf diese Nadelstreifenwelt übertragbar. So stellte beispielsweise Rakesh Khurana von der Harvard Business School fest, dass es 1980 zwar nur ein CEO auf das Titelblatt des U S-Wirtschaftsma gazins ›Business Week‹ geschafft hatte – im Jahr 1999 waren es dann allerdings schon 19 Topmanager. Und als es für einen Konzernlenker erst einmal »als normal oder sogar notwendig galt, berühmt zu sein, wurde es auch leichter, ihn reich zu machen«, schrieb die ›Zeit‹ dazu.
Leider ist die Empfehlung, die sich daraus ableitet, entsetzlich trivial, sie klingt verdächtig nach Dieter Bohlen und ist auch leichter hingeschrieben als umgesetzt: Willst du reich werden – geh ins Fernsehen und werde ein Star!
D ER MATTHÄUS-EFFEKT
Warum Erfolg und Erfolgschancen Hand in Hand gehen
Anders als die AR D-Sendung mit Frank Plasberg ist das Leben hart, aber unfair. Schon aus dem ersten Erfolg erwachsen häufig viele weitere Chancen, noch erfolgreicher zu werden. Mit der ersten Million in der Tasche braucht man meist nicht lange, um daraus eine zweite zu machen. Und wer es erst einmal ins Rampenlicht geschafft hat, stürzt selten wieder ab. Ausnahmen bestätigen zwar auch hier die Regel, häufiger aber gilt: Erfolg und Erfolgschancen gesellen sich gern. Mehr noch: Einmal da, befruchten sich beide wechselseitig und exponentiell.
Im Grunde genommen ist das ein jahrtausendealter Hut. Die Bibel erzählt uns dazu in etwa folgende Geschichte: Ein Mann muss verreisen und ruft seine drei Diener zu sich, um ihnen sein Vermögen anzuvertrauen. Dem ersten gibt er davon fünf Teile, der zweite bekommt zwei, der dritte einen. Der Erste, so zeigt sich, kann mit dem Geld gut umgehen, und schon nach kurzer Zeit hat er seinen Anteil verdoppelt. Auch der Zweite stellt sich geschickt an und vermehrt das Vermögen um 100 Prozent. Der Dritte jedoch ist anders. Er vergräbt das Geld lieber und denkt, dass er es so wenigstens nicht verlieren kann. Als der Mann nach einer Weile zurückkehrt, präsentieren die ersten beiden stolz ihren Erfolg. Dann kommt der Dritte an die Reihe, und sein Herr kreist unter der Decke. Auf der Bank hätte er zumindest Zinsenbekommen, schimpft und schnaubt er. So aber übergibt ihm dieser Taugenichts lediglich sein Geld von damals und etwas Dreck dazu. Da nimmt er ihm seinen Teil ab, schenkt ihn dem ersten Knecht und jagt den Wühlerich vom Hof.
Vermutlich kennen Sie die Geschichte. Sie steht im Matthäus-Evangelium in Kapitel 25 und gehört zu den bekanntesten Gleichnissen, die Jesus erzählt. Nicht zuletzt, weil der Vers 29 mit dem denkwürdigen Fazit endet: »Denn wer hat, dem wird gegeben, und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch genommen, was er hat.«
Das klingt nun wirklich unfair und so gar nicht göttlich gerecht. Um Missverständnissen aber vorzubeugen: Mit dem »haben« und »nicht haben« meint Jesus den Ertrag und nicht die Ausgangslage. Das wäre sonst wirklich gemein. Dennoch beschreibt die Anekdote aus dem Neuen Testament ziemlich treffend das Prinzip der sogenannten positiven Rückkopplung, das der Volksmund auch schon mal auf die weniger fromme Formel bringt: »Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen.«
Der eigentliche Entdecker des Matthäus-Effekts ist der amerikanische Soziologe Robert K. Merton, der ihm auch den Namen gab. Ob aus Neid oder echtem Wissensdurst heraus, wissen wir nicht, jedenfalls beschäftigte sich Merton 1968 mit der Frage, warum bestimmte Wissenschaftler häufiger in Büchern, Studien und Aufsätzen zitiert werden als andere. Dabei stellte er bald fest, dass der Bekanntheitsgrad keine unwesentliche Rolle spielt: Je prominenter einer seiner Kollegen war, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass er von anderen zitiert wurde, was seinen Ruhm wiederum weiter mehrte. Oder wie es die Amerikaner ausdrücken:
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