Ich. Die Autobiographie
das Establishment leben. Es war eine Ideologie, die Priorität vor spießigen Ansichten hatte. Man war gegen die Zeit, gegen jeglichen Zwang, gegen alles, das Regel hieß. Kein Besitzanspruch gegenüber den anderen rieb uns auf, Eifersucht war unsere Sache nicht. Und wer redet von Waschmaschinen und Putzlappen. Wie kleinkariert.
Wen störte es. In der Presse wurde gerne behauptet, die Prominenz hätte Flower-power für ihre Skandalgeschichten nur geschauspielert. Die Promis seien keine echten Blumenkinder gewesen. Hinter den Mauern der Privathäuser hätten sie in klinischer Sauberkeit gelebt, doch sobald sie sich dem gemeinen Volk zeigten, wären ihnen ihre Haschwolken um die schlampigen Blumenkleider geweht. Absoluter Quatsch. Die Journalisten hätten nur in den damals praktisch jedem offenstehenden Häusern meiner Freunde ein- und auszugehen brauchen. Manche kamen tatsächlich vorbei und brachten uns Hasch direkt ins Haus, damit wir sie mit Storys fütterten. Die Baileys, Jaggers oder Stevens’ waren wirklich echte Vorkämpfer dieser Blumen-Liebes-Ideologie. Auch wenn sie gerne übertrieben haben. Übertreibung lässt einen Trend erst zum Trend werden.
Die Kinder waren übrigens bei den Sit-ins mittendrin, niemand kümmerte sich um sie. Sie sind einfach mit der Welle mitgeschwommen. Ich vermute, es ist ihnen gut bekommen. Die schlampige Unordnung störte mich nicht. Ich wollte »in« sein, es war meine Zeit. Dachte ich. Spießertum ade. Zur Arbeit ging ich im schneeweißen Hemd und schwarzer Hose mit messerscharfer Bügelfalte. Meine Freunde David, Cat, und wie sie alle hießen, traf ich im indischen Hemd mit Pluderhose.
Das, was ich aus dem Kontinent auf die Insel hinüberrettete, war mein weicher österreichischer Dialekt. Dann natürlich der Traum von der Karriere und meine Sucht, geliebt zu werden. Ich höre heute noch von vielen der Leute von damals. David Bailey macht jetzt auch Filme. Er arbeitet eng mit Helmut Newton zusammen. Auch dessen in New York und München lebender Kollege Michael Doster ist ein alter Freund. Wir begegneten uns während einer seiner Ausstellungen in New York. Seine Stadtimpressionen und Körperstudien sind beeindruckend.
Als ich einige Monate nach meinem ersten Londonaufenthalt Visconti kennenlernte, wurden meine Vergnügungen in London mit den Schönen und Prominenten noch wilder. Visconti schickte mich nach London zurück, um Englisch und Schauspiel zu lernen. Später Französisch und wieder Schauspiel, bis ich nach einem Casting eine Chance bekam. Niemand widersprach mir, wenn ich fand: I was really a bird of paradise. I changed my colours with any situation I am involved – ich bin wirklich ein Chamäleon, ich ändere meine Farbe mit jeder neuen Situation. Diese Begabung sollte sich noch als wichtiger Teil meiner Weltkarriere erweisen.
Mein unbändiges Bedürfnis, Grenzen ohne schlechtes Gewissen zu sprengen, einfach niemandem Rechenschaft ablegen zu müssen, ist sicher Teil meiner Natur. Befehle wecken unweigerlich meinen Widerspruch. Mit Fleiß mache ich das Gegenteil. Bei einer höflichen Bitte oder einem Hilfeschrei bin ich jederzeit bereit zu helfen. Wenn das mein Vater gewusst hätte, vieles wäre uns erspart geblieben. Ein einfaches »Bitte, könntest du so freundlich sein …« hätte uns sehr geholfen.
Menschen, die mich besser kennen, wissen von meinem unbestechlichen Gerechtigkeitssinn. Furiengleich setze ich mich bei Diskriminierungen von sozial Schwächeren ein. Oder bei Ausländerhass. Oder wenn Film-Mitarbeiter von den Stars schlecht behandelt werden. Für mich gibt es keine Unterschiede. Sollte ich mich doch mal unbeabsichtigt danebenbenehmen, ist mein Geschenkregen als Trostpflaster schier grenzenlos. Aber wo meine Freiheit angetastet wird, raste ich aus.
Der Schah ist liebeskrank und Koks schöner als der beste Sex
Meine Zeit mit Ecstasy, LSD und Kokain begann in Los Angeles, als das Visconti-Epos »Die Verdammten« als bester ausländischer Film für den Oscar nominiert war. »Z« gewann. Ich erhielt den Golden Globe von der Auslandspresse in Hollywood als bester Nachwuchsschauspieler des Jahres. Wir feierten bei Michael Butler, dem Produzenten des Musicals »Hair«. Bei ihm probierte ich LSD, ein bräunliches, viereckiges, fingerdickes Stück, wie eine Rosine, das man schluckte. Während es sich auflöste, erlebte ich völlig neue Offenbarungen.
Mit dabei war meine Jugendfreundin Ylia Suchanek aus Salzburg, die nun den Künstlernamen
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