Ich. Die Autobiographie
Carlo. Er enttäuschte mich allerdings als Kumpel, weil er ein Nacktfoto von mir, entgegen seiner Zusicherung, es nicht zu veröffentlichen, in einem seiner Kunstbände dennoch drucken ließ. Heute stört es mich nicht mehr. Im Gegenteil, ich bin stolz darauf.
Auch David Bailey hielt sich nicht an unsere Abmachungen. Er, der frühe Freund aus meiner ersten Swinging-London-Zeit, fotografierte Marisa Berenson und mich 1972 in seinem Londoner Studio für einen Titel der Mode-Bibel Vogue. Bildschön sahen wir aus. Ich war der erste Mann auf der Titelseite der Frauen- Vogue. David bat uns inständig um ein weiteres Fotoshooting, bei dem Marisa und ich nackt nebeneinanderher gehen sollten.
Ein Geschenk von uns an ihn für seine Privatsammlung. Wir wollten es nicht öffentlich vermarkten lassen. Und was machte Bailey? Er hängte uns öffentlich hin. Ließ ein »Silkscreen« von 2,40 mal 2,20 Meter machen – ein Dia wird vergrößert auf eine Leinwand übertragen, die durch ein besonderes Material das Bild aufsaugt. Es endete in der berühmten Tate Gallery in London. Noch heute in der Abteilung Moderne Kunst des Museums zu sehen. Aber ich habe auch dem Cockney Bailey verziehen. Er sammelte Pluspunkte beim Publikum, und der Raum musste zeitweilig geschlossen werden, so groß war der Andrang.
Mitte der Sechziger beim Shooting für die Vogue.
Die große Liebe meines Lebens: Luchino Visconti
Die Presse schrieb immer wieder, dass ich Luchino Visconti in Rom oder Ischia kennengelernt hätte. Das stimmt nicht. Nach den Ferientagen auf Ischia meldete ich mich an der Universität in Perugia an. Wie immer jobbte ich nebenbei als Barmixer oder Kellner. Ich träumte immer noch von der Schauspielerei, und Italien war voller begabter Selbstdarsteller. Bis zur Erfüllung meiner Wunschfantasien, bis zur Stunde Null – in der Visconti in mein Leben trat – vertrieb ich mir die Zeit mit Jobs und einem Sprachenstudium in Perugia. Eine lustige Zeit.
Um eine Sprache zu sprechen, brauche ich kein Studium, dachte ich. Und Italienisch ging mir wirklich schnell unter die Haut und auf die Zunge. Wie mit einem Schwamm saugte ich die Melodien und Vokabeln auf. Ich bin eine Sprachbegabung. Französische, englische oder italienische Dreharbeiten – kein Problem für mich. Ich studierte trotzdem.
Der Zufall führte Regie in jenen Frühlingstagen 1964 in Perugia. Zu den Prüfungskriterien im Fach Italienisch zählten regelmäßige Vorträge über die historischen Kulturstätten der näheren und weiteren Umgebung. Wir mussten uns an den Wochenenden für die Tests durch die Professoren direkt vor Ort informieren. An einem Samstag im Mai waren ein Kommilitone und ich zur Besichtigung von Assisi verabredet, dem Geburtsort des heiligen Franziskus von Assisi mit dem Hauptkloster der Franziskaner und den wertvollen mittelalterlichen Bauwerken. Darüber wollten wir am Montag referieren. Mit Kultur konnte man mich leicht fesseln. Obwohl ich mich in meinem ganzen Leben im Louvre in Paris nicht länger als eine Stunde aufgehalten habe. Aber die alten Meister sind nicht unbedingt mein Fall. Schon eher das Museum of Modern Art in New York.
Ich besitze über 1000 Bücher, meine Bibliothek quillt über mit konventionellen Werken, die mich schon vor meiner Begegnung mit Visconti interessierten, der meine Lesefreude noch anstachelte. Nicht nur wegen der Weiterbildung, für ihn bedeutete Bildung schlicht eine Geisteshaltung. Er hatte immer recht, und ich machte, was ich wollte. Zu meiner Lieblingslektüre zählt auch »Querelle« von Jean Genet. Die Sexgeschichten sind herrlich. Später kaufte ich vor jedem Film sämtliche Ausgaben zu dem Sujet. Dieses Jahr soll ich Friedrich den Großen spielen. Eine italienische Produktion mit Claudia Cardinale. Eine Herausforderung für mich. Die Bücher über den großen Preußenkönig stapeln sich bei mir.
Auf dem Rücksitz der alten Vespa meines Studienfreundes fuhr ich an jenem Wochenende mit. Aber nicht nach Assisi, weil mein Kommilitone plötzlich zu den etruskischen Gräbern in Volterra bei Florenz wollte. Was blieb mir mangels eigenen Gefährts anderes übrig, als die ältesten Überreste etruskischer Bauwerke mit den primitiven Grabbauten aus dem 7. Jahrhundert zu betrachten? Noch heute besitze ich einige etruskische Vasen, die mir damals geschenkt wurden. Stundenlang besichtigten wir den Terrakottenschmuck der Giebel und die Fresken aus der Tomba delle Leonesse.
Vom ausführlichen Kulturgenuss
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