Ich durchschau dich!: Menschen lesen - Die besten Tricks des Ex-Agenten (German Edition)
ich.
»Die Quelle hat beobachtet, dass vier Männer vor dem Einstieg in den Bus von einem Sarai-Mann auffällig-unauffällig Pässe ausgehändigt bekamen. Nur diese vier. Sie hätten die Pässe genauso auffällig-unauffällig entgegengenommen. Als der Typ dann weg war, hat jeder der vier seinen Pass sofort wieder hervorgezogen und unter die Lupe genommen, aufs Genaueste untersucht, durchgeblättert, abgetastet. Die Seite mit den persönlichen Daten und dem Foto hätten sie sich besonders lang angesehen. Einer hätte sogar laut gelacht.«
»Die haben sich mit ihrer neuen Identität angefreundet!«
»So was kennst du ja auch«, grinste Sabine, wurde aber sofort wieder ernst. »Auffällig sei zudem gewesen, dass die vier deutlich mehr Gepäck als die anderen Fahrgäste hatten. Unser V-Mann in Istanbul hat früher selbst geschleust. Er kennt das Geschäft. Er ist sich absolut sicher.«
»Wie viele Fahrgäste insgesamt?«
»Sechsundfünfzig.«
»Vier von sechsundfünfzig. Reicht das?«, fragte ich zweifelnd. Vierzig von sechsundfünfzig hätten mir besser gefallen.
»Fürs Erste reicht das, wir rechnen dann hoch«, meinte Sabine. »Sarai-Reisen fährt die Strecke ein- bis zweimal die Woche. Und das seit Jahren. Da kommen wir eher auf vierhundert.«
»Warst du schon beim SGL?«, fragte ich sie. »Jetzt ist Showtime für die Bundespolizei.«
»Am besten, er ruft selbst an, er hat einen guten Draht zu den Kollegen.«
»Den hat er doch überallhin«, schmunzelte ich.
Ja, das stimmte. Unser Chef war ein Kontakter, wie er im Buche steht. Zum Glück nicht nur. Ich hatte ihn oft genug als Macher und Analyst erlebt. Für mich war er eines meiner großen Vorbilder. Ein erfahrener und kompetenter Agent, dem es gelang, mit jedem sofort in Kontakt zu kommen und auf der Beziehungsebene zu punkten.
Viele unserer älteren Kollegen nannten die Bundespolizei immer noch BGS, Bundesgrenzschutz. Manche Gewohnheiten brauchen ihre Zeit, bis sie sich ein- oder ausgeschliffen haben. Da eine ihrer Hauptaufgaben auch nach der Umfirmierung in der Sicherung der Landesgrenzen besteht, ist die Bundespolizei der erste Ansprechpartner bei Schleusungen und Aufenthaltsdelikten.
»Wo kommt der Bus an?«, fragte der SGL.
»Arnulfstraße«, antwortete Sabine.
»Wann?«
»Wenn alles nach Plan läuft, morgen Abend gegen 19 Uhr«, sagte ich.
Der SGL griff zum Telefon und teilte dem zuständigen Kollegen von der Bundespolizei mit, was wir wussten.
»Jetzt noch dieselbe Bitte wie immer«, beendete er seine Ausführungen: »Bitte kein Wort von uns, es muss aussehen wie eine Routinekontrolle.
Und kein Vermerk in den Akten. Auch nicht zu diesem Gespräch.« Schließlich durften wir unsere Quellen nicht gefährden, um auch nach dem Zugriff noch ungestört ermitteln zu können.
Der SGL hörte eine Weile zu und gab das Kennzeichen des Busses sowie die voraussichtliche Ankunftszeit am zentralen Omnibusbahnhof bekannt. »Vermutlich mit gefälschten Pässen, ja«, bestätigte er, schwieg erneut, sagte dann: »Ja, wir bewerten diese Information als wahrscheinlich wahr.«
Der SGL verabschiedete sich von seinem Gesprächspartner, legte den Hörer auf und nickte uns zu. »Die stehen morgen ab 17 Uhr bereit.«
»Ich fahr auch raus«, ließ ich den Chef wissen.
»Schön«, sagte er.
München, Arnulfstraße, Mittwoch, 15. September, 16:45 Uhr
Vor dem Zugriff nahm ich Kontakt zum Einsatzleiter der Bundespolizei auf. Unsere Observationsgruppe hatte den Bus bereits an der österreichischen Grenze aufgenommen und begleitete ihn nach München. Als »Ankunft in zehn Minuten« gemeldet wurde, setzte ich mich in meinen BMW, um das Geschehen aus der Ferne zu beobachten. Die Einheiten der Bundespolizei bezogen Aufstellung und waren startklar. Vier VW-Sprinter-Busse, vollgestopft mit Equipment, parkten abgesetzt vor dem Busbahnhof. Der Parkplatz war fast menschenleer und alles schien wie immer, reine Routine. Die Bundespolizei ist für solche Fälle perfekt ausgerüstet. Von der klassischen Polizeiausrüstung wie kugelsicheren Westen, Alkohol-und Drogentests, bis hin zu einer mobilen Einsatzzentrale, Laptops mit Onlineanbindung zum Zentralcomputer, Fotokopierer und ein voll ausgestattetes Labor mit Hightechgeräten, um schon vor Ort jeder noch so cleveren Passfälschung auf die Spur zu kommen.
Da war er! Der Bus bog links von der Arnulfstraße in den großen Parkplatz mit den Haltebuchten ein. Showtime: Sofort setzte sich einer der Streifenwagen
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