Ich durchschau dich!: Menschen lesen - Die besten Tricks des Ex-Agenten (German Edition)
setzen nicht auf vorgefertigte Meinungen und Vorurteile, handeln bewusst und flexibel. Sie haben ausreichend Fantasie und Einfühlungsvermögen, sich in andere hineinzuversetzen, um sie zu enttarnen, zu durchschauen und zu lenken.
Inwieweit passt diese Beschreibung bereits auf Sie? Und wie würden Sie einen Mitarbeiter wie Andreas Brauer einsetzen, um ihm die Gelegenheit zu geben, sich positiv zu entwickeln? Wir alle sind auf das Wohlwollen unserer Mentoren angewiesen, die uns an ihrem Wissen teilhaben lassen, damit wir eines Tages Mentoren für andere werden können.
Nächtliche Aktivitäten am Zielobjekt
Tag zehn bis vierzehn, Donnerstag, 7. bis Montag, 11. Oktober
Die Entscheidung, den Observanten auszutauschen, erwies sich schon am nächsten Tag als richtig, wie mir Robert kurz meldete. Zwei Tage später ergab sich die Gelegenheit zu einem längeren Gespräch und ich erfuhr, dass Stefan Dürr begeistert von dieser Mission war.
»Dem gefällt es bei der Frau Mühlthaler, da haben sich zwei gefunden«, erläuterte Robert. »Der kann gar nicht genug davon kriegen, ihre alten Geschichten zu hören.« Robert lachte. »Und sie kocht mittags für ihn. Er meint, wenn die zweieinhalb Wochen um sind, hat er drei Kilo mehr auf den Rippen.«
Noch zweieinhalb Wochen. Die Zeit raste nur so – und wir hatten wenig Greifbares, allerdings sehr viel zu überprüfen, zahlreiche Abklärungen durchzuführen, denn obwohl Stefan sich offenbar gut um Frau Mühlthaler kümmerte, stöberte er hier und da interessante Ansatzpunkte auf. Mittlerweile hatten wir eine Liste mit siebzig Personen und sechsunddreißig Fahrzeugen, die wir Sarai-Reisen zuordnen konnten. Allein dafür hatte sich die Kontaktwohnung gelohnt. Zwei der Fahrzeuge waren auf Halter zugelassen, die schon hatten arbeiten lassen, einer davon kassierte im Zeitraum von 2004 bis 2008 gleich mehrere Anzeigen im Bereich Prostitution und Menschenhandel. Alle Anzeigen wurden jedoch aus Mangel an Beweisen von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Nicht genug, um den AL zu überzeugen. Aber die Richtung stimmte.
Ich persönlich fand es sehr beruhigend, die alte Dame gut aufgehoben zu wissen. Auch wenn ich vor allem an Informationen interessiert
war, lag mir daran, dass sie sich in ihren eigenen vier Wänden wohlfühlte. Sonst wäre unsere Mission gefährdet. Nun fühlten sich sogar zwei dort wohl – und genau diese Kleinigkeit sollte uns zum Durchbruch verhelfen:
»Und, wie steht’s?«, fragte ich Stefan, der am Fenster saß, nach dem Stand der Dinge bei einer meiner Visiten.
»Prima«, grinste er, ohne den Blick abzuwenden.
»Robert hat mir schon erzählt, dass du lieber bei Frau Mühlthaler bleiben würdest als abends nach Hause zu gehen, wo kein so gutes Abendessen auf dich wartet«, ließ ich ihn wissen.
»Und nicht nur kein gutes Abendessen«, gab Frau Mühlthaler sich kryptisch.
Dann verschwand sie in ihrem Schlafzimmer und kehrte mit einem Nachtsichtfernglas zurück, das sie sich bei Optik Bando in der Schillerstraße geliehen hatte, wie ein Aufkleber offenbarte. »Um Tauben zu beobachten, habe ich denen gesagt«, verriet sie.
Stefan und ich starrten die alte Dame an. In diesem Augenblick hätten sämtliche Regierungsoberhäupter der G8 ungesehen in die Geschäftsräume von Sarai-Reisen schlüpfen können. Frau Mühlthaler genoss unsere Verblüffung sichtlich.
»Drei Nächte bin ich jetzt aufgestanden und habe Wache gehalten. Eine Stunde schlafen, eine Stunde wachen. Ich will doch, dass Sie beide bei Ihren Vorgesetzten einen guten Eindruck machen. Ich habe mir gedacht, wenn Sie immer nur tagsüber da sind, entgeht Ihnen doch vielleicht was. Also habe ich selber geschaut.«
»Es kann uns nichts entgehen, wir haben einen Bewegungsmelder«, grinste Stefan erheitert über Frau Mühlthalers Hightechperformance.
Frau Mühlthaler stemmte die Hände in die Seiten. »Und was ist mit den Leuten, die hinten reinkommen? Durch den Hof nebenan? Da schaut Ihr Bewegungsmelder nämlich alt aus. Man muss
ums Eck bei Hausnummer 39 rein, damit man bei 41 auf den Hof kommt, früher haben die Grundstücke zusammengehört, seit der Trennung hat Hausnummer 41 keinen eigenen Hintereingang, bloß den Durchgang hinter den Aschentonnen, der ist immer offen.«
Ich traute meinen Ohren nicht.
»Was?«, rief Stefan.
»Da muss man schon mal reden mit den Leuten«, erklärte Frau Mühlthaler. »Das erfährt man nicht, wenn man bloß in der Wohnung hockt. Da muss man in den
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