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Ich ein Tag sprechen huebsch

Ich ein Tag sprechen huebsch

Titel: Ich ein Tag sprechen huebsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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zwischen Valencia und mir. An den vereinbarten Arbeitstagen rief sie frühmorgens bei mir an und sagte, sie brauche keine Hilfe. Ich wusste, dass sie sich kurz zuvor einen Computer zugelegt und eine Studentin angeheuert hatte, die ihr zeigen sollte, wie man damit umgeht. Die Studentin war eifrig bei der Sache und mochte Beat-Gedichte. Darum gebeten, hätte sie ganz bestimmt eine Taube mit bloßen Händen fangen oder siebzehn Dollar von einem Engländer loseisen können. Ich hätte meine Kündigung einreichen sollen, doch so lausig der Job auch bezahlt wurde, ich hatte keine Lust, mich nach etwas anderem umzusehen.
    Ich arbeitete nur noch anderthalb Tage die Woche, als Valencia einen Spediteur beauftragte, eine Fuhre Möbel in ein Apartment zu schaffen, das sie für einen der armen Poeten gemietet hatte. Da man ihm erklärt hatte, es handle sich um einen Ein-Mann-Job, erschien der Mann ohne irgendeinen Handlanger. Ein Sofa drei Stockwerke runterzuschleppen ist für einen allein ein ziemliches Stück Arbeit, und da ich nichts Besseres zu tun hatte, bot ich ihm meine Hilfe an. Der Mann, dessen Name Patrick war, redete mit einer sanften, hypnotischen Stimme, die jeden seiner Sätze weise und tröstlich klingen ließ. »Ich sehe schon, dass du alle Hände voll zu tun hast mit der«, sagte er und verdrehte dabei die Augen in Richtung Valencias Büro. »Ich kenne solche Weibsbilder zu Genüge. Will einen auf Künstlerin machen und tut so, als hätte sie keinen Penny in der Tasche. Trinkgeld kann man bei so einer vergessen. «
    Nachdem wir die Möbel in die neue Wohnung des armen Poeten geschafft hatten, fragte Patrick, ob ich für ihn arbeiten wolle, und ich sagte ja.
    »Na großartig«, sagte er, »Besorg dir einen Tragegurt, morgen früh geht's los. «
    Als Kommunist mit Parteibuch hasste Patrick es, wenn man ihn mit Boss anredete. »Das hier ist ein Kollektiv«, sagte er. »Ich bin vielleicht Besitzer dieses Lastwagens, aber das macht mich zu keinem wertvolleren Menschen als andere. Wenn ich besser bin als ihr, dann nur, weil ich Ire bin. «
    Die selbsternannten Marxisten am College hatten mich immer angeödet, aber Patrick war anders. Ein Blick auf sein Gebiss genügte, um seinen Kreuzzug für eine allgemeine Krankenversorgung zu verstehen. Seine Brille war mit Isolierband umwickelt. Bemerkenswert war auch sein großer körperlicher Arbeitseinsatz. Die mir bekannten Kommunisten waren stets davon ausgegangen, dass nach dem Sieg der Revolution sie diejenigen wären, die mit den Klemmbrettern in der Hand in der Parteizentrale herumstolzierten. Sie waren nicht fähig, ihre Kaffeetassen zu spülen, aber sie konnten sich stundenlang über den Hersteller des Spülmittels ereifern.
    Patricks Tassen standen sauber aufgereiht auf dem Abtropfgitter. Er lebte alleine in einer winzigen Sozialwohnung, vollgestopft mit Süßigkeiten, Briefen von einsitzenden Aktivisten und der Sorte Zeitungen, in der man vergeblich nach der Lifestyle-Seite sucht. Sein Umzugs-Kollektiv bestand aus ihm selbst, einem verbeulten Brotlieferwagen und einer Handvoll Voll- und Teilzeitkräfte, die je nach Verfügbarkeit oder Auftragsumfang angeheuert wurden. Zusammen erinnerte unsere Truppe an die Besetzung einer doofen Sitcom, die Augen zu und durch! oder Unter fremden Dächern heißen konnte. Zu den Teilzeitkräften gehörten Lyle, ein Gitarre spielender Folkie aus Queens, und Ivan, der aus Russland stammte und Tabletten gegen seine sogenannte »residuale Schizophrenie« nehmen musste. Vollzeit arbeiteten ich und ein aus dem Knast entlassener Mörder namens Dwayne, der mit einsdreiundneunzig und knapp dreihundertfünfzig Pfund Lebendgewicht ein ebenso guter Werbeträger für das Umzugsgewerbe wie für das Versagen des Rehabilitationssystems für Straffällige war. Mit fünfzehn war er wegen Brandstiftung und Totschlags verurteilt worden und hatte zehn Jahre in diversen Jugend- und Erwachsenenstrafanstalten gesessen. Bei dem Opfer hatte es sich um den Freund seiner Schwester gehandelt. Auf die Frage, warum er ihn abgefackelt habe, sagte Dwayne: »Was weiß ich. Der Kerl war ein Arschloch, warum fragst du?« Er überlegte kurz, bevor er hinzufügte: »Okay, ich fand ihn nicht sehr vertrauenswürdig. Wie klingt das?« Um seinen gegenwärtigen Bewährungshelfer zu beeindrucken, arbeitete Dwayne hartnäckig an der Erweiterung seines Wortschatzes. »Ich kann nicht versprechen, nie wieder einen Menschen zu töten«, sagte er einmal, als er sich gerade einen

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