Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich ein Tag sprechen huebsch

Ich ein Tag sprechen huebsch

Titel: Ich ein Tag sprechen huebsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
Vom Netzwerk:
afrikanischen Graupapageis, der beim Eintreten eines Kunden aus dem Laden entwischt war. Dem Finder des Vogels, der auf den Namen Cheeky hörte, winkte eine Belohnung von siebenhundertundfünfzig Dollar.
    »Das ist es«, sagte Valencia. »Wir schnappen uns das Cheeky-Vögelchen, machen halbe-halbe, und schwupp sind wir reich!«
    Die Chancen, den Papagei zu finden, kamen mir eher gering vor. Er befand sich bereits seit zwei Tagen in Freiheit und hätte es sogar zu Fuß leicht bis Brooklyn geschafft. Verärgert darüber, dass Valencia sich so gerne als arm ausgab, wandte ich mich meiner Arbeit, einer Buchbestellung, zu. Natürlich hätte ich nichts dagegen gehabt, den Vogel einzufangen, aber es war idiotisch, so zu tun, als hinge ihr Überleben von dem Geld ab. Irgendwann musste sie sich in den Kopf gesetzt haben, dass Leute ohne Geld ein reicheres Leben führten als alle anderen, dass sie edler oder auch intelligenter waren. In der Absicht, mich edel zu erhalten, zahlte sie mir weniger als ihrem vorherigen Assistenten. Obwohl die Hälfte meiner Gehaltsschecks platzte, weigerte sie sich, mir die anfallenden Strafgebühren zu erstatten, weil sie nicht ihre, sondern meine Bank dafür verantwortlich machte.
    Ich stopfte gerade ein Buch in einen Umschlag, als Valencia zischte: »Pssst. David, sehen Sie doch! Da draußen! Wenn das nicht der Siebenhundertundfünfzig-Dollar-Piepmatz ist. «
    Beim Blick durch das geöffnete Fenster erspähte ich ein Taubenmännchen auf einem Ginkgo-Zweig, das seinen missgebildeten Fuß untersuchte.
    »Locken Sie ihn ins Haus«, flüsterte Valencia. »Sagen Sie, wir hätten leckeres Brot für ihn, dann kommt er. «
    Ich erklärte ihr, es sei bloß eine Taube, aber sie widersprach und hielt zum Beweis die unscharfe Kopie hoch. »Rufen Sie ihn bei seinem Namen, Cheeky. Und dann schnappen Sie ihn, und wir teilen die Belohnung. «
    Ich dachte einmal mehr an meine geplatzten Schecks und wusste, selbst wenn dies der gesuchte Papagei wäre, würde sie garantiert einen Weg finden, sich um die Vereinbarung zu drücken und die Teilungsquote neu auszuhandeln. Ich sah praktisch schon, wie sie mir erklärte, sie hätte den Vogel zuerst gesehen, und außerdem stünde ihr ein größerer Anteil zu, weil er auf ihrem Grundstück gefangen worden war. Bislang hatte ich ihre Wutanfälle geduldig über mich ergehen lassen und nichts gesagt, wenn sie mich vor den runtergekommenen Beatniks angebrüllt hatte, aber jetzt war der Bogen überspannt. Ich konnte ihr den Gefallen tun und den Vogel locken, aber ich würde ihn ganz bestimmt nicht Cheeky rufen.
    »Worauf warten Sie noch?« fragte sie. »Los doch, bevor er weg ist. « Ich senkte meine Stimme und machte ein paar leise Kussgeräusche. Ich versprach Futter und andere Annehmlichkeiten, aber die Taube hatte nicht die geringste Lust, ins Haus zu kommen. Sie starrte an mir vorbei, als begutachte sie das ramponierte Mobiliar und die grellbunten Wände, und flog dann davon.
    »Wie konnten Sie ihn einfach wegfliegen lassen?« rief Valencia. »Wir hätten gutes Geld machen können, aber Sie mussten ihn mit ihrem idiotischen Schnalzen vertreiben. Herrgott, ich kann's nicht begreifen. «
    Sie warf sich auf das Bett in der Ecke und schmollte eine Weile, bevor sie das angeschlagene Telefon nahm und einen Anruf in ihre Heimat tätigte. Ich hatte zwar einen Spanisch-Kurs an der High School belegt, konnte aber nicht sagen, mit wem sie da telefonierte und worüber sie sprachen. Ihre Stimme klang so, als ginge es um eine Herz- oder Nierenspende oder sonst eine lebenswichtige Angelegenheit. Ihrem anfänglichen Flehen folgte eine längere Phase wüsten Gebrülls, das zuletzt wieder in Betteln überging. Ich kannte diese Art Gespräche, über die sie, selbst wenn es dabei Tränen gegeben hatte, nie auch nur ein Wort verlor.
    Valencia hatte wohl zehn Minuten telefoniert, als sie plötzlich vom Spanischen zurück ins Englische wechselte. »David! Da ist er wieder! Der Siebenhundertundfünfzig-Dollar-Vogel, und diesmal will er ins Haus. Schnappen Sie ihn. Schnappen Sie Cheeky!«
    Es war erneut eine Taube, zwar mit zwei gesunden Füßen, aber einer deutlich kürzeren Aufmerksamkeitsspanne. Auch sie flog davon, und wieder wurde ich angeschrien.
    »Nichts können Sie. Ich glaub einfach nicht, was ich mit Ihnen erleben muss. Was soll ein Mensch taugen, der nicht einmal einen Vogel einfangen kann?«
    Die Szene wiederholte sich im Laufe der Woche mehrfach und markierte den Anfang vom Ende

Weitere Kostenlose Bücher