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Ich ein Tag sprechen huebsch

Ich ein Tag sprechen huebsch

Titel: Ich ein Tag sprechen huebsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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verantwortlich, diese Menschen zu beschützen, ihnen Wegbeschreibungen zu geben, die sie nicht wollten, und sie in der Regel mit meiner Zuvorkommenheit zu verängstigen. Als Amerikaner hat man im Ausland ein natürliches Sicherheitsgefühl im Rücken. Geht etwas schief, denkt man instinktiv: »Da rufen wir bei der Botschaft an und fragen mal, was die dazu sagen.« Die Leute wissen, wo Amerika auf der Landkarte liegt. Sie wissen, dass es laut ist und mächtig. Bei manchen anderen Ländern gibt es diese Garantie nicht. »Ach ja, Laos«, lauschte ich einmal einem Gespräch eines Tischnachbarn, »haben wir euch nicht ein paar Mal bombardiert?«
    Im nächsten Sommer fuhren Hugh und ich wieder in die Normandie, wo ich erneut in meine Identität als Dorftrottel schlüpfte. »Na dann bis gestern!« sagte ich zum Metzger. »Aschenbecher! Flaschenhals!« Erneut vergrub ich mich im Haus, pinselte und schabte, bis meine Knöchel bluteten. Bei der Abreise schwor ich, einen Französischkurs zu belegen, doch kaum war der Flieger in New York gelandet, hatte ich den Vorsatz schon wieder vergessen.
    Bei meinem nächsten Aufenthalt schliff ich den Holzfußboden und gewöhnte mir an, jeden Tag zehn neue Vokabeln zu lernen.
    Exorzismus
    Gesichtsschwellung
    Todesstrafe
    Ich pickte die Wörter aus dem Wörterbuch, schrieb sie mit der Schreibmaschine auf Karteikarten und lernte sie auf meinen täglichen Spaziergängen ins Nachbardorf auswendig.
    Schlachthof
    Seeungeheuer
    Medizinmann
    Am Ende des Monats hatte ich dreihundert Wörter parat, von denen kein einziges irgendwie brauchbar war. Im nächsten Jahr blieben wir sechs Wochen in Frankreich, was meinen Wortschatz um vierhundertzwanzig Vokabeln erweiterte, von denen die meisten aus dem Klatschmagazin Vota stammten. »Menschenfresser«, warf ich den Leuten an den Kopf, »Goldgräber, Saisonarbeiter, Blattlaus. «
    »Von wem reden Sie?« fragten meine Nachbarn. »Was für ein sozialer Aufsteiger? Wo?«
    Bei meinem fünften Frankreich-Besuch beschränkte ich mich auf Wörter und Sätze, die ich die Leute reden hörte. Von den Hundehaltern lernte ich »Platz!«, »Aus!« und »Wer hat auf diesen Teppich geschissen?« Das Paar von gegenüber brachte mir bei, wie man korrekte Fragen stellt, und der Lebensmittelhändler, wie man zählt. Eins fügte sich zum anderen, so dass ich jetzt nicht mehr wie ein missratenes Kleinkind, sondern wie der letzte Hinterwäldler redete. »Das da das Denken von Kühe?« fragte ich den Metzger und zeigte mit der Hand auf das Kalbshirn in der Auslage. »Ich lieber möchten Lammkotelett mit Griffe dran. «
    Am Ende unseres sechsten Frankreichaufenthalts war das Haus fertig und mein Gesamtwortschatz auf eintausendfünfhundertvierundsechzig Wörter gestiegen. Es war ein seltsames Gefühl, mein komplettes Vokabular in Händen zu halten, in den Karteikarten zu blättern und sich an den Nachmittag zu erinnern, an dem ich gelernt hatte, meinen morgendlichen Kater zutreffend in Worte zu kleiden. Ich hatte meine Wortkartei in einer Holzkiste untergebracht, die eigentlich für einen Napoleon-Dreispitz gedacht war, und machte mir Sorgen, dass, wenn das Haus abbrennen würde, ich wieder ganz von vorn bei Flaschenhals und Aschenbecher anfangen müsste und das unvergleichliche Hochgefühl nicht mehr erleben würde, das mich jedes Mal überkam, wenn ich jemanden ein Wort sagen hörte, das ich für meinen ureigenen Besitz hielt.
    Als kürzlich die Baukräne anrückten, um direkt vor unserem New Yorker Schlafzimmerfenster ein zwölfgeschossiges Hotel hochzuziehen, beschlossen Hugh und ich, für ein oder zwei Jahre die Stadt zu verlassen, bis unser Unmut verraucht ist. Ich bin fest gewillt, soviel Französisch wie möglich zu lernen, weshalb wir uns auch eine Wohnung in Paris nehmen werden, wo es Plakate und Schlagzeilen und jede Menge Wörter gibt, die darauf warten, aufgeschnappt und auf Karteikarten festgehalten zu werden, wo man ungestört rauchen und sich gleichzeitig bis auf die Knochen blamieren kann und wo ich, wenn ich es leid bin, einfach lügen und sagen kann, ich hätte sowieso nie hergewollt.
Ich ein Tag sprechen h übsch
    Im Alter von einundvierzig Jahren gehe ich wieder zur Schule und muss mich als etwas sehen, was mein französisches Lesebuch »einen wahren Debütanten« nennt. Nachdem ich mein Schulgeld bezahlt hatte, bekam ich einen Schülerausweis, der mich zum ermäßigten Eintritt in Kinos, Puppentheatern und im Festyland berechtigt, einem abgelegenen

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