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Ich finde dich

Ich finde dich

Titel: Ich finde dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
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E-Mail-Adresse und diversen Variationen, aber es war reine Zeitverschwendung. Schließlich las ich ihre E-Mail noch einmal:
    Du hast es versprochen.
    Das hatte ich. Aber warum hatte ich dieses Versprechen gebrochen? Ein Mann war gestorben. Vielleicht war es ihr Ehemann. Vielleicht aber auch nicht. War das ein Grund, das Versprechen zu brechen, das ich ihr gegeben hatte? Vielleicht. Vielleicht war es das gewesen – bis jetzt. Aber mit ihrer E-Mail hatte Natalie klargestellt, dass ich noch daran gebunden war. Das war der Zweck dieser Mail. Natalie hatte mich ermahnt. Sie erinnerte mich an mein Versprechen, weil sie wusste, dass ich es nicht nur leichtfertig dahergesagt hatte.
    Deshalb hatte sie mir dieses Versprechen ja abgenommen.
    Ich ließ mir alles noch einmal durch den Kopf gehen. Ich dachte über das Begräbnis, den Besuch in Vermont und die Studentenakte nach. Was ergab sich aus alldem? Ich hatte keinen Schimmer. Ursprünglich hatte ich all dies als Rechtfertigung dafür angesehen, mein Wort nicht mehr halten zu müssen, aber seit ich die E-Mail erhalten hatte, konnte ich mich nicht mehr herausreden. Natalies Nachricht hätte kaum deutlicher sein können.
    Du hast es versprochen.
    Zaghaft fuhr ich mit dem Finger über die Worte auf dem Bildschirm. Wieder kam es mir vor, als würde mein Herz zerbersten. Dumm gelaufen, Alter. Also gut, ich würde ihrer Aufforderung ungeachtet des gebrochenen Herzens Folge leisten. Ich würde sie in Ruhe lassen. Ich würde mich zurückziehen. Ich würde mein Wort halten.
    Ich legte mich ins Bett und schlief fast sofort ein. Ja, ich war selbst überrascht, glaube aber, dass die vielen Schläge, die ich hinnehmen musste, seit ich die Todesanzeige gesehen hatte, sowie der Strudel aus Erinnerungen und Gefühlen, aus Gram und Verwirrung, mich zermürbt hatten wie einen Boxer, der zwölf Runden lang Treffer an Kopf und Körper einstecken musste. Am Ende klappte ich einfach zusammen.
    Anders als Benedict vergaß ich oft, mein Handy auszustellen. Um 8 Uhr morgens riss mich sein Anruf aus dem Schlaf.
    »Eban hat widerstrebend zugestimmt, sich mit dir zu treffen.«
    »Hast du ihm gesagt, worum es geht?«
    »Wie sollte ich. Du hast mir nicht gesagt, worum es geht.«
    »Ach, richtig.«
    »Du hast um neun ein Seminar. Er erwartet dich hinterher in seinem Haus.«
    Ich spürte ein Stechen in meiner Brust. »In seinem Haus?«
    »Ja, ich dachte mir schon, dass dir das nicht passt. Er hat aber darauf bestanden.«
    »Was für ein Mistkerl.«
    »So schlimm ist er gar nicht.«
    »Er ist ein geiler Bock.«
    »Und was bitte soll daran schlecht sein?«
    »Du machst nicht solche Sachen wie er.«
    »Du weißt gar nicht, was er macht. Geh einfach hin, sei freundlich und hol dir deine Information.«
    Benedict legte auf. Ich checkte meine E-Mails und SMS . Nichts. Diese ganze seltsame Episode in meinem Leben hatte eine surreale, traumartige Qualität angenommen. Ich bemühte mich, dieses Gefühl abzuschütteln. Um 9 Uhr musste ich das Seminar über Recht und die Verfassung abhalten. Das hatte jetzt Vorrang. Ich würde es erst einmal hinter mich bringen. Kurz darauf sang ich sogar unter der Dusche. Ich zog mich an und ging breit lächelnd und mit hoch erhobenem Kopf über den Campus. Mein Schritt war beschwingt. Die Sonne tauchte alles in ein warmes, himmlisches Licht. Ich lächelte weiter. Ich lächelte das Backsteingebäude an, das sich danach sehnte, von Efeu überwachsen zu werden. Ich lächelte die Bäume an, den üppigen Rasen, die Statuen der berühmten Ehemaligen, und ich lächelte auf die Sportplätze unten im Tal herab. Wenn Studenten Hallo sagten, begrüßte ich sie mit solchem Eifer, dass sie Angst bekamen, ich wollte sie zu irgendeiner Religion bekehren.
    Zu Beginn des Seminars stellte ich mich vorne in den Raum und rief: »Ich wünsche Ihnen allen einen guten Morgen!« wie eine wiedergeborene Cheerleaderin, die zu viel Red Bull intus hatte. Die Studenten musterten mich neugierig. Allmählich jagte ich mir selbst Angst ein, also versuchte ich, ein wenig herunterzukommen.
    Du hast es versprochen.
    Und was ist mit dir, Natalie? Lag in deinen Worten und Handlungen nicht auch zumindest ein unausgesprochenes Versprechen an mich? Wie kannst du ein Herz fangen und es dann einfach zerquetschen? Ja, ich bin erwachsen. Ich kenne die Risiken, die man eingeht, wenn man sich verliebt. Aber wir haben Dinge gesagt. Wir haben Dinge gefühlt. Das waren keine Lügen. Und doch … du hast mich verlassen. Du hast

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