Ich folge deinem Schatten
ihm mit, dass seine Sprechzeit abgelaufen war. Zähneknirschend drückte er erneut die Wahlwiederholung. »Liebes, ich habe einen Vorschlag, der einen sehr viel nachhaltigeren Eindruck machen wird. Wir berufen morgen oder wann immer du willst eine Pressekonferenz ein, und auf ihr verkündest du, dass du für fünf Millionen Dollar eine Stiftung zugunsten vermisster Kinder gründen wirst. Alle Eltern mit einem vermissten Kind werden dich lieben, und du ersparst dir die Anfeindungen dieser miesen Idioten, die deine Großzügigkeit nur schlechtreden wollen. Denk darüber nach, Schatz, und ruf mich an.«
Ted Carpenter schaltete sein Handy aus und hielt noch so lange durch, bis er, endlich zu Hause angekommen, umgehend ins Badezimmer stürzte und sich übergab. Mit Schüttelfrost legte er sich danach aufs Bett und griff sich sein Telefon.
Er rief im Büro an, wo sich eine mütterlich besorgte Rita Moran meldete. »Ted, ich habe Sie in den Nachrichten im Internet gesehen. Sie sehen fürchterlich aus. Wie geht es Ihnen?«
»Genauso schlecht, wie ich aussehe. Ich liege im Bett. Keine Anrufe, es sei denn …«
»… sie kommen von der Hexe auf ihrem Besen«, beendete Rita den Satz für ihn.
»Es wird noch eine Weile dauern, bis der vernünftige Rat, den ich ihr gegeben habe, auch bei ihr eingesickert ist.«
»Was ist mit dem Termin mit diesem durchgeknallten Jamie-boy?«
»Ist abgesagt oder vielleicht nur verschoben.« Rita war sich über die finanziellen Auswirkungen nur allzu im Klaren, falls der potenzielle Klient ihnen entgehen sollte.
»Also vielleicht nur verschoben.«
Ted entging keineswegs ihre aufgesetzte Gelassenheit. Sie war die einzige unter seinen Angestellten, die wusste, in welchem Ausmaß der Kauf des Gebäudes die Firma belastete. »Wer weiß?«, entgegnete er. »Ich melde mich später noch mal. Zan wird im Augenblick von der Polizei befragt. Falls zufällig Collins oder Dean anrufen, sagen Sie ihnen, dass sie mich hier erreichen können.«
Er zog sich bis auf die Unterwäsche aus, legte sich ins Bett und zog sich die Decke über den Kopf.
In den nächsten vier Stunden döste er unruhig vor sich hin.
Um fünfzehn Uhr klingelte das Telefon.
Es war Detective Collins.
45
Zan erinnerte sich noch gut, wie fürsorglich sie nach Matthews Verschwinden von Detective Billy Collins und Jennifer Dean behandelt worden war. An jenem Tag hatten sie nach Teds Wutanfall wegen der jungen Babysitterin sogar zu ihr gesagt: »Manche können mit solchen Tragödien nur umgehen, wenn sie anderen die Schuld zuschieben. Verstehen Sie das bitte.«
Sie hatten zu diesem Zeitpunkt bereits Nina Aldrich befragt, die ihren Termin an diesem Tag bestätigt hatte. Nachdem sich Tiffany Shields endlich beruhigt hatte, hatte diese den beiden Detectives erklärt, dass das eigentliche Kindermädchen nicht aufgetaucht sei und Zan sie in letzter Minute angerufen und gebeten habe, auf Matthew aufzupassen, weil sie einen Termin bei einer wichtigen Kundin habe.
Zan hatte ihnen mitgeteilt, der einzige Mensch, der sie wohl aus ganzem Herzen hasste, sei Bartley Longe, doch schon da hatte sie gespürt, dass die Beamten ihr nicht recht glauben wollten.
Stattdessen hatten sie angedeutet, Teds Wutanfall könnte möglicherweise seinen Grund in seiner unterschwelligen Aggression auf die Babysitterin haben; ein Szenarium, das Zan aber sofort verwarf. Sie hatte ihnen erklärt, dass Ted sowohl Matthews erstem Kindermädchen als auch dem neuen zugestimmt habe, das sie kurz vor Matthews Verschwinden angestellt hatte.
Die Fotos. Natürlich mussten sie manipuliert sein! Im sicheren Wissen, am Morgen Matthews Stimme gehört zu haben, und mit der Kraft, die sie daraus zog, folgte Zan mit Charley Shore an ihrer Seite den Detectives Collins und Dean in den Befragungsraum.
Sie nahmen Platz. Charley Shore setzte sich neben sie, Billy Collins und Jennifer Dean ihnen gegenüber. Damals, nach Matthews Verschwinden, war Zan erst nach einigen Wochen bewusst geworden, dass sie die beiden Polizisten immer nur schemenhaft wahrgenommen hatte. Diesmal wollte sie sich die beiden genauer ansehen. Beide waren Anfang vierzig. Billy Collins verfügte über keine besonderen Merkmale, er hatte genau das Gesicht, mit dem man in einer Menschenmenge nicht auffiel. Die Augen standen eng beieinander, die Ohren waren ein wenig zu groß für das lange, schmale Gesicht. Struppige Augenbrauen. Unauffälliges Benehmen. Er wirkte etwas zerknittert, als hätte er keine Zeit mehr
Weitere Kostenlose Bücher