Ich folge deinem Schatten
Moreland wegen ihres vermissten Sohnes untröstlich ist. Gestern Abend war sie hier, sie ist nur noch ein Schatten ihrer selbst, so sehr nimmt sie das alles mit. Ich weiß, sie hat Freunde, hier und im Ausland, die sie eingeladen haben. Aber sie bleibt lieber zu Hause, sie könnte es nicht ertragen wegzufahren.«
»Wissen Sie, in welchen Ländern ihre Freunde leben?«, fragte Jennifer Dean.
»Na ja, in den Ländern, in denen ihre Eltern gewohnt haben«, sagte Alvirah. »Ich weiß von einer Freundin in Argentinien und von einer in Frankreich.«
»Und vergiss nicht, ihre Eltern waren in Italien, als sie bei dem Autounfall ums Leben gekommen sind«, warf Willy ein.
Billy Collins war klar, dass er von Alvirah oder Willy nicht mehr zu hören bekommen würde. Sie halten Zan Moreland für die Frau auf den Fotos, wollen es aber nicht zugeben, dachte er und erhob sich.
»Detective Collins«, sagte Alvirah, »bevor Sie gehen, sollten Sie eines wissen: Wenn wirklich Zan Moreland auf diesen Bildern zu sehen ist, dann weiß sie nicht, was sie getan hat. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer.«
»Wollen Sie mir damit sagen, dass sie unter einer gespaltenen Persönlichkeit leidet?«, fragte Collins.
»Ich weiß nicht recht, was ich Ihnen damit sagen will«, entgegnete Alvirah. »Ich weiß nur eines: Zan macht Ihnen nichts vor. Sie hat ihr Kind verloren, davon ist sie überzeugt. Sie hat viel Geld für Privatermittler und diverse Scharlatane ausgegeben, um es zu finden. So weit wäre sie nie gegangen, wenn sie nur etwas vortäuschen wollte. Sie täuscht nichts vor.«
»Noch eine Frage, Mrs. Meehan … äh, Alvirah. Zan Moreland hat einen Priester erwähnt, einen Pater Aiden O’Brien. Kennen Sie ihn zufällig?«
»O ja, er ist ein lieber Freund. Er ist Franziskanermönch in der Kirche des heiligen Franziskus von Assisi in der Thirty-first Street. Zan hat ihn gestern Abend hier kennengelernt. Er hat ihr gesagt, er will für sie beten, was ihr ein großer Trost war.«
»Sie ist ihm vorher nie begegnet?«
»Ich glaube nicht. Ich weiß allerdings, dass sie sich am Montag in der Kirche aufgehalten hat. Ich war dort, um eine Kerze anzuzünden. Pater O’Brien hat zu der Zeit in der Unterkirche die Beichte abgenommen.«
»Geht Zan Moreland beichten?«, fragte Billy Collins.
»Ach, das weiß ich nicht, und natürlich frage ich sie nicht danach. Aber es interessiert Sie vielleicht, dass mir an dem Tag ein Mann aufgefallen ist, der mir sehr seltsam vorkam. Ich meine, er hatte das Gesicht in den Händen verborgen und hat vor dem Schrein des heiligen Antonius gekniet. Aber sobald Pater O’Brien aus dem Versöhnungsraum kam, hat er sich aufgerichtet und dem Pater hinterhergestarrt, bis dieser im Durchgang zum Mönchskloster verschwunden war.«
»War Ms. Moreland noch in der Kirche, als das passiert ist?«
»Nein«, antwortete Alvirah bestimmt. »Ich weiß das nur, weil ich mir gestern Morgen mit dem Pater in der Kirche die Aufnahmen der Überwachungskameras angesehen habe. Ich wollte sehen, ob ich den Mann erkennen kann, falls er mal für Schwierigkeiten sorgen sollte. Aber er war in der Menge nicht richtig zu erkennen. Wen ich aber gesehen habe, das war Zan, die ungefähr eine Viertelstunde vor mir in die Kirche kam. Nach den Überwachungsaufnahmen ist sie nur wenige Minuten geblieben. Der Mann, den ich in Augenschein nehmen wollte, ist dann kurz vor mir gegangen, aber, wie gesagt, wegen der vielen Menschen, die in diesem Augenblick in die Kirche geströmt sind, war er nicht näher zu sehen.«
»Halten Sie es für ungewöhnlich, dass Ms. Moreland in die Kirche geht?«
»Nein. Matthew hatte doch am nächsten Tag Geburtstag. Ich dachte mir, sie hätte ihm vielleicht vor dem heiligen Antonius eine Kerze entzündet. Zu diesem Heiligen beten die Menschen, wenn sie etwas verloren haben.«
»Verstehe. Ich danke Ihnen beiden, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben«, sagte Billy Collins, als er und Jennifer Dean aufbrachen.
»Na, recht weit hat uns das nicht gebracht«, kam es von Dean auf dem Weg zum Aufzug.
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Wir haben herausgefunden, dass Zan Moreland Freunde in mehreren Ländern hat. Ich will wissen, ob sie seit dem Verschwinden ihres Sohns eines dieser Länder besucht hat. Wir werden ihre Kreditkarten und Bankkonten überprüfen. Und morgen statten wir diesem Pater O’Brien einen Besuch ab. Wäre doch interessant zu erfahren, ob Zan Moreland bei ihm gebeichtet hat. Und falls ja, was sie
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