Ich fühle was, was du nicht siehst - Mallery, S: Ich fühle was, was du nicht siehst
Sie machte die Tür weiter auf.
Dakota wirkte neugierig, stellte jedoch keine Fragen. „Du kannst ihn später wieder ins Camp bringen, wenn du möchtest, oder ihn zu Hause behalten. Ruf in jedem Fall im Büro an und gib Bescheid.”
„Mach ich”, versprach Liz.
Dakota winkte und ging.
Liz ging ihrem Sohn ins Wohnzimmer nach. Statt sich zu setzen, drehte er sich zu ihr um und sah sie an.
Seine dunklen Augen, die denen von Ethan so ähnlich waren, funkelten. Er presste kurz die Lippen zusammen, als würde er seine Gedanken sammeln. „Du hättest Dad heiraten sollen!”, platzte es schließlich aus ihm heraus.
Liz unterdrückte ein Stöhnen. Damit, dass es um dieses Thema gehen würde, hatte sie nicht gerechnet. Sie würde ihm einiges erklären müssen. Nicht unbedingt etwas, worauf sie sich freute.
„Geht es darum, was die Frau am Samstag gesagt hat?” Sie bemühte sich, gelassen zu klingen.
„Irgendwie schon, ja. Eltern sind verheiratet.”
„Manche schon. Andere wiederum nicht.”
Tyler sah sie wütend an. „Ich hätte meinen Dad gern früher kennengelernt. Ich habe dich ständig nach ihm gefragt, aber du wolltest mir nicht sagen, wer er ist. Du wolltest überhaupt nicht darüber reden. Das war nicht fair!”, schrie er. Seine Stimme überschlug sich jetzt förmlich.
„Okay, wenn dieses Gespräch jetzt fällig ist, setzen wir uns hin und besprechen die ganze Sache in Ruhe. Wenn du allerdings vorhast, rumzubrüllen, rede ich nicht mit dir.”
„Na schön”, grummelte er, ließ sich auf die Couch fallen und verschränkte die Arme.
Sie setzte sich ihm gegenüber auf den Couchtisch, sodass sie sich in die Augen sehen konnten.
„Als ich gemerkt habe, dass ich schwanger bin, war ich in Panik. Ich war nur vier Jahre älter als Melissa jetzt ist. Findest du, sie wäre bereit, Mutter zu werden?”
Er schüttelte den Kopf, sagte aber nichts dazu.
„Ich bin nach Fool’s Gold zurückgekommen, um es deinem Dad zu sagen, aber da war er mit jemand anderem zusammen. Mit einem Mädchen. Ich war verletzt und durcheinander, also bin ich wieder weggefahren.”
„Du hättest bleiben sollen. Du hättest dich mehr anstrengen müssen.”
„Ich weiß.”
„Du hättest dich anstrengen müssen!”, wiederholte Tyler. Er war wieder lauter geworden. „Er hätte dich geheiratet. Ich habe ihn gefragt, und er hat gesagt, er hätte dich geheiratet. Wir wären eine richtige Familie gewesen.”
Liz atmete tief durch. „Tyler, bitte. Ich weiß, dass du wütend bist. Aber es war mir ernst, als ich dir vorhin gesagt habe, dass ich mich auf keine Schreiduelle mit dir einlasse. Schon gar nicht bei diesem Thema.”
Sie streckte die Hand nach ihm aus, doch er schlug sie zurück. Die abwehrende Geste verletzte Liz mehr als die Fragen. Mehr als seine Vorwürfe.
„Er wäre mein Dad gewesen”, sagte ihr Sohn nun deutlich leiser.
Was sollte sie darauf sagen? Wie sollte sie es ihm erklären?
„Ich war sehr jung.”
„Das sagst du ständig. Aber das ist mir egal. Du hast einen Fehler gemacht.” Seine Augen füllten sich mit Tränen. „Du hast mir meinen Dad vorenthalten.”
Ja, genau darum ging es.
Wie sollte sie ihm erklären, was gekränkter Stolz und ein gebrochenes Herz waren? Vielleicht sollte sie es besser gar nicht erst versuchen.
„Du hast recht”, sagte sie leise. „Ich habe ihn dir vorenthalten. Allerdings nicht mit bösen Hintergedanken. Ich wollte keinem von euch wehtun, aber genau das ist passiert. Es tut mir leid.”
„Davon habe ich nichts.” Ihm lief eine Träne über die Wange. „Ich habe meinen Dad gebraucht, und er war nicht da.”
Sie überlegte, ob sie ihm von ihrem zweiten Versuch vor fünf Jahren erzählen sollte, bei dem ihr das Schicksal in Form von Rayanne einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte. Irgendwann würde Tyler es erfahren müssen. Aber noch war es zu früh.
„Ich kann die Vergangenheit nicht ungeschehen machen”, erklärte sie. Das Gespräch setzte ihr dermaßen zu, dass ihr körperlich übel war.
„Er wäre gekommen und hätte mich zu sich geholt”, sagte Tyler aufgebracht. „Er hätte mich bei sich haben wollen.” Er sah sie wütend an. „Ich möchte bei ihm bleiben. Ich will bei meinem Dad leben, nicht bei dir.”
18. KAPITEL
D er Schmerz, der Liz überfiel und einfach nicht mehr aufhören wollte, war unbeschreiblich. Ethans Zurückweisung war nichts im Vergleich zu dem Gefühl, von ihrem einzigen Kind gesagt zu bekommen, dass es nicht mehr bei ihr
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