Ich fühle was, was du nicht siehst - Mallery, S: Ich fühle was, was du nicht siehst
Haus habe ich verkauft.”
Wegen der Erinnerungen? Wahrscheinlich, dachte sie und ermahnte sich, keine Fragen zu stellen, deren Antworten sie nicht hören wollte.
„Komm doch rein”, sagte er und winkte sie nach links weiter.
Der Eingangsbereich war groß und offen, mit einer hohen Decke und dunklem Holzboden. Liz durchquerte ihn und ging weiter in ein riesiges Wohnzimmer mit Kamin. Durch die großen Fenster hatte man einen Ausblick auf die Berge.
Die Möbel waren maskulin, aber gemütlich, die Bilder an den Wänden konservativ. Auf dem Holzboden lagen einige Teppiche, die den Hall dämpften. Am anderen Ende setzte sich der Raum in ein Esszimmer fort.
Er führte sie in die Küche mit Kirschholzschränken, schier endlos langen Arbeitsplatten aus Granit und großen, nach Süden gehenden Fenstern. Zwei Barhocker waren an die Theke gerückt worden, auf der eine Flasche Rotwein, zwei Gläser und eine Platte mit kleinen Vorspeisen stand. Aus einem der zwei Edelstahl-Backöfen duftete es nach Knoblauch und Gewürzen.
„Ich bin beeindruckt”, sagte sie.
„Sei es besser nicht. Ich kenne einen guten Caterer. Ich rufe an, das Essen kommt, und ich mache es heiß.”
Er wartete, bis sie auf einem der Hocker Platz genommen hatte, bevor er nach dem Wein griff.
„Der perfekte Junggesellen-Lifestyle?”, erkundigte sie sich.
„An manchen Tagen schon.” Mit einer eleganten, geübten Bewegung öffnete er die Flasche. „Du bist ja auch nicht verheiratet. Möchtest du darüber reden?”
Sie nahm das Glas Wein, das er ihr hinhielt, und schüttelte den Kopf. „Nicht unbedingt.”
„Wegen des Mannes oder weil wir besser bei unverfänglichen Themen bleiben sollten?”
„Ich glaube, unverfängliche Themen sind eine bessere Idee”, antwortete sie vorsichtig.
„Du klingst misstrauisch.”
„Ich bin bereit, jederzeit in Deckung zu gehen.”
Er lächelte sie an. „Weil ich möglicherweise wieder eine Attacke auf dich starten könnte?”
„Ganz genau.”
Der Hocker, auf dem sie saß, war so hoch, dass sie sich beide praktisch auf Augenhöhe befanden, obwohl Liz saß und er stand.
Sie konnte alle Brauntöne in seiner Iris und seine langen, dichten Wimpern sehen. Sie brauchte mindestens drei Schichten Mascara, um ihre Wimpern so aussehen zu lassen. Wenn sie jetzt ein bisschen schnupperte, würde sie den Duft von Seife und Mann riechen. Ein Geruch, an den sie sich auch nach all der Zeit noch gut erinnerte.
„Für heute haben wir Waffenstillstand vereinbart”, stellte er fest und stieß mit ihr an. „Erinnerst du dich?”
„Und ich kann dir vertrauen?”
Sein Lächeln wurde zu dem lässigen sexy Schmunzeln, das sie von früher noch so gut kannte. Sie musste daran denken, wie lange es her war, dass sie einen Mann im Bett gehabt hatte. Mit ihm war es am schönsten gewesen. Er hatte sie mit einer Mischung aus Zärtlichkeit und Leidenschaft geliebt, mit der später niemand mehr mithalten konnte. Er hatte ihr das Gefühl gegeben, dass alles möglich war.
Und dann hatte er ihr das Herz gebrochen.
„Waffenstillstand”, stimmte sie zu. Da sie Ethan einmal geliebt hatte, wusste sie, dass sie bei ihm immer verletzlich sein würde. Sie musste stark bleiben, um sich und Tyler beschützen zu können.
Er ging zum anderen Ende der Theke und schob die Vorspeisenplatte zu ihr hinüber.
„Wie läuft es mit Roys Kindern?”, fragte er.
„Bis jetzt ganz gut. Ich habe dafür gesorgt, dass sie etwas zu essen haben und sich geborgen fühlen. Damit ist schon mal die halbe Schlacht gewonnen.” Sie beugte sich näher zu ihm. „Die beiden haben fast drei Monate lang allein überlebt. Roys Frau hat ihnen hundert Dollar gegeben und sich dann aus dem Staub gemacht. Ich würde sie gern anzeigen, aber zuerst muss ich mit Roy reden. Ich muss herausfinden, was er möchte.”
Ethan wirkte fassungslos. „Sie hat zwei Kinder im Stich gelassen? Wie konnte sie nur?”
„Sie ist abgehauen und nie mehr zurückgekommen. Das Geld war bald verbraucht, und irgendwann wurden Strom und Wasser abgeschaltet. Melissa musste alles, was sie zum Überleben brauchten, stehlen.”
„Ist niemandem etwas aufgefallen?”, fragte er. „Hat keiner das Sozialamt verständigt?”
Liz dachte an ihre eigene Kindheit. „Du würdest staunen, wie viele Kinder durch das System fallen. Morgen treffe ich Roy. Ich will ihn besuchen, solange die Mädchen noch in der Schule sind.” Sie sah ihn von der Seite an. „Würde es dir etwas ausmachen, dich in der
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