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Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)

Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)

Titel: Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tahereh H. Mafi
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mir, und sein Blick ruht auf meiner Schulter, wandert meinen Arm entlang, verharrt auf meinem Handgelenk. Ich schwebe, fassungslos. »Ich wusste nicht, wie ich dich wecken sollte. Du bist nicht wach geworden. Deshalb habe ich dich einfach angeschaut und abgewartet. Habe gewartet, bis du aufhörst zu schreien.«
    »Das. Kann. Nicht. Sein.« Mehr als diese Worte bringe ich nicht hervor.
    Aber seine Hände werden Arme, die meine Taille umschlingen, seine Lippen werden eine Wange, die sich an meine Wange schmiegt, sein Körper ist Hitze an meinem, seine Haut berührt meine, berührt mich, und Adam schreit nicht, er stirbt nicht, er läuft nicht weg, und ich weine
    schluchze
    schaudere zittere zersplittere in Tränen,
    und er hält mich, wie mich noch nie jemand gehalten hat.
    Als begehre er mich.
    »Ich werde dich hier rausbringen«, sagt er, und seine Lippen streifen mein Haar, seine Hände wandern zu meinen Armen, ich lehne mich zurück, er schaut mir in die Augen, und ich weiß, dass das ein Traum sein muss.
    »Warum – wieso – ich verstehe nicht –« Ich kann nicht aufhören, den Kopf zu schütteln, um die Tränen loszuwerden, die an meinen Wangen haften. Das kann alles nicht wahr sein.
    Seine Augen sind sanft, sein Lächeln renkt mir die Gelenke aus, und ich wünsche mir, den Geschmack seiner Lippen zu kennen. Hätte ich nur den Mut, ihn zu berühren. »Ich muss los«, sagt er. »Um acht Uhr musst du unten sein, fertig angezogen.«
    Ich ertrinke in seinen Augen und weiß nichts zu sagen.
    Er zieht sein Hemd aus, und ich weiß nicht, wo ich hinschauen soll.
    Ich stütze mich an die Glaswand, kneife die Augen zu, und dann blinzle ich, weil ich einen Luftzug spüre. Seine Finger sind ganz dicht vor meinem Gesicht, und ich tropfe brenne schmelze vor Erwartung.
    »Du musst nicht wegschauen«, sagt er, mit einem Lächeln, leuchtend wie der Jupiter.
    Ich schaue zu ihm hoch, will das schiefe Grinsen auskosten, die Farbe seiner Augen, mit der ich eine Million Bilder malen würde. Folge mit dem Blick der Linie seines Kinns, den Hals hinab bis zu seinem Schlüsselbein; präge mir die Hügel und Täler seiner Arme, die vollendete Schönheit seines Oberkörpers ein. Den Vogel auf seiner Brust.
    Den Vogel auf seiner Brust.
    Eine Tätowierung .
    Ein weißer Vogel im Flug. Mit goldenen Federn auf dem Kopf, wie eine Krone.
    »Adam«, will ich sagen. »Adam.« Ich versuche zu sprechen. Doch ich scheitere, ein ums andere Mal.
    Ich suche seinen Blick und merke, dass er mich beobachtet. Sein Gesicht ist von so tiefen Gefühlen gezeichnet, dass ich mich unwillkürlich frage, wie er mich wahrnimmt. Er legt zwei Finger unter mein Kinn, hebt es leicht an, und ich bin ein Stromkabel im Wasser. »Ich werde Möglichkeiten finden, mit dir in Kontakt zu treten«, sagt er, und seine Hände ziehen mich an Land, und mein Gesicht ruht an seiner Brust, und die Welt ist auf einmal heller, größer, schöner. Die Welt liegt mir plötzlich am Herzen, das Menschsein liegt mir am Herzen, das Universum hält inne und dreht sich in die andere Richtung, und ich bin der Vogel.
    Ich bin der Vogel, und ich fliege weg.

20
    Es ist acht Uhr morgens, und mein Kleid hat die Farbe toter Wälder und alter Blechbüchsen.
    Es ist enger als alles, was ich je getragen habe. Der Schnitt ist modern, eckig, beinahe willkürlich, und der Stoff ist dick, aber luftdurchlässig. Ich starre auf meine Beine und wundere mich, dass ich welche habe.
    In meinem Leben habe ich mich noch nie entblößter gefühlt.
    17 Jahre lang habe ich darauf geachtet, meine Haut zu bedecken, und nun zwingt Warner mich dazu, diese Schutzschichten abzulegen. Ich muss davon ausgehen, dass er das mit Vorsatz tut. Mein Körper ist eine fleischfressende Pflanze, ein giftiges Gewächs, eine geladene Waffe mit Millionen Abzügen, und er ist jederzeit bereit zu feuern.
    Wer mich anfasst, bekommt die Folgen zu spüren. Es gab keine Ausnahmen von dieser Regel.
    Adam ist die erste.
    Er ließ mich tropfnass in der Dusche zurück, mit dem Sturzbach heißer Tränen, der aus meinen Augen strömte. Durch das Glas sah ich verschwommen, wie er sich abtrocknete und seine Uniform anzog.
    Sah ihm nach, als er hinausging, und fragte mich jeden Moment, warum warum warum
    Warum kann er mich berühren?
    Warum will er mir helfen?
    Erinnert er sich an mich ?
    Meine Haut dampft noch immer.
    Meine Knochen sind gebunden durch die engen Falten dieses Kleids, der Reißverschluss ist das Einzige, was mich zusammenhält. Und die

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