Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)
enthalten Kalium, habe ich gehört.
Ich versuche mich mit den Pedalen vertraut zu machen.
»Was meinst du, wie viel Zeit wir haben, bis Warner uns findet?«, fragt Adam.
Ich atme tief ein. »Keine Ahnung.«
Adam zögert einen Moment. »Wie hast du es geschafft zu entkommen?«
Ich blicke starr geradeaus. »Ich habe auf ihn geschossen.«
»Nein.« Adam ist fassungslos. Beeindruckt.
Ich zeige ihm Warners Pistole. Der Griff ist graviert.
»Ist er … tot?«, fragt Adam ehrfürchtig.
»Ich weiß nicht«, gestehe ich beschämt. Senke den Blick, betrachte eingehend das Lenkrad. »Ich bin mir nicht sicher.«
Ich habe zu lange gebraucht, um den Abzug zu drücken. Es war schwerer, als ich erwartet hatte. Und die Pistole im Griff zu behalten war auch ein Problem. Warner ließ mich schon los, als die Kugel ihn traf. Ich hatte eigentlich auf sein Herz gezielt.
Ich kann nur hoffen, dass ich getroffen habe.
Wir versinken beide in Schweigen.
»Adam?«
»Ja?«
»Ich kann nicht Autofahren.«
41
»Du hast Glück, dass der keine Gangschaltung hat«, sagt Adam mit einem kleinen Lachen.
»Gangschaltung?«
»Manuelles Getriebe.«
»Was ist das?«
»Schwieriger zu handhaben als diese Automatikschaltung.«
Ich beiße mir auf die Lippe. »Weißt du noch, wo wir James und Kenji abgesetzt haben?« Ich will nicht mal daran denken, dass sie womöglich nicht mehr in diesem Haus sind. Dass man sie entdeckt und weggebracht hat.
»Ja.« Ich weiß, dass Adam dasselbe befürchtet.
»Wie komme ich da hin?«
Adam erklärt mir, dass sich rechts das Gaspedal und links die Bremse befindet. In welche Stellung ich die Schaltung bringen muss.
Ich starte den Wagen, versuche ihn zu wenden. Muss ohne Scheinwerfer auskommen, den Weg nur mit dem Mondlicht finden. Adams Stimme ist mein Navigationssystem.
Ich gebe Gas. Pralle fast gegen eine Wand.
Gas. Bremse. Gas. Bremse. Ich gebe zu viel Gas. Bremse zu heftig. Adam sagt kein Wort, was fast noch schlimmer ist, als wenn er sich beklagen würde. Für ihn muss dieser Fahrstil die reine Qual sein. Aber wenigstens sind wir noch am Leben. Vorerst.
Ich frage mich, weshalb uns bislang noch niemand gefunden hat. Vielleicht ist Warner wirklich tot. Oder anderswo herrscht so ein Chaos, dass man alle Soldaten von hier abgezogen hat.
Das wäre denkbar.
Als wir endlich zu dem halbverfallenen Gebäude kommen, vergesse ich, auf Parken zu schalten. Adam übernimmt das. Dann bitte ich ihn, sich auf den Rücksitz zu setzen, und helfe ihm dabei. Er fragt mich, warum er das machen soll.
»Ich möchte, dass Kenji fährt. Und James sollte dich nicht in diesem Zustand sehen.«
Adam bleibt einen Moment stumm, dann nickt er. »Danke.«
Ich renne auf das Gebäude zu. Reiße die Tür auf. Im Dunkeln sehe ich zwei Umrisse. Als ich blinzle, erkenne ich sie deutlicher. James schläft, den Kopf auf Kenjis Schoß. Unsere Taschen sind offen, auf dem Boden stehen Konservendosen. Die beiden sind am Leben.
Dem Himmel sei Dank.
Ich sterbe fast vor Erleichterung.
Kenji nimmt James in die Arme und rappelt sich hoch. Er lächelt nicht, redet keinen Unsinn. Schaut mich an, als wisse er über alles Bescheid, als wisse er, weshalb wir so lange gebraucht haben, weshalb ich so schlimm aussehe, weshalb meine Kleidung, meine Hände, mein Gesicht blutverschmiert sind. »Wie geht es ihm?«
»Du musst fahren«, sage ich nur.
Kenji holt tief Luft. Nickt mehrmals. »Mein rechtes Bein ist okay«, sagt er, aber es wäre mir auch egal, wenn es verletzt wäre. Wir müssen diesen sicheren Ort erreichen, und mit mir am Steuer wird uns das nicht gelingen.
Kenji verfrachtet den schlafenden James auf den Beifahrersitz. Zum Glück schläft der Junge fest. Ich verstaue die Taschen auf dem Rücksitz und setze mich zu Adam. Kenji steigt ein, schaut in den Rückspiegel. »Freut mich, dass du lebst, Kent.«
Adam lächelt beinahe. Schüttelt den Kopf. »Danke, dass du dich um James gekümmert hast.«
»Vertraust du mir jetzt?«
Ein kleiner Seufzer. »Schon möglich.«
»Fürs Erste nicht schlecht.« Kenji grinst und startet den Motor. »Also dann mal los.«
Adam zittert am ganzen Körper.
Die Kälte, die Folter, die Anstrengung fordern jetzt ihren Tribut. Ich suche in unseren Taschen nach einer Jacke, finde aber nur T-Shirts und Pullover. Die ich ihm nicht anziehen kann, ohne ihm noch mehr weh zu tun.
Ich schneide mit dem Messer ein paar von seinen Sweatshirts auf und umhülle ihn damit. »Kenji, hat der Wagen eine Heizung?«
»Hab ich
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