Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)
schon angestellt, aber sie taugt nichts.«
»Wie lange dauert es noch?«
»Nicht mehr lange.«
»Ist jemand hinter uns?«
»Nein.« Kenji zögert. »Ich versteh auch nicht, weshalb keiner einen Wagen bemerkt, der während der Ausgangssperre durch die Straßen rast. Irgendwas stimmt hier nicht.«
»Glaube ich auch.«
»Und ich weiß nicht, warum, aber mein Spürserum wirkt offenbar nicht. Entweder bin ich denen scheißegal, oder das Zeug funktioniert nicht. Versteh ich aber nicht.«
Mir fällt plötzlich etwas ein. »Hast du nicht gesagt, du hättest in einem Schuppen geschlafen? Als du weggerannt bist?«
»Ja, warum?«
»Wo war das?«
Kenji zuckt die Achseln. »Weiß nicht. Auf einem riesigen Feld. Komische Gegend. Da wuchs irres Zeug. Ich hätte fast was gegessen, was ich für Obst hielt, bis ich gemerkt hab, dass es stank wie Scheiße.«
Ich atme heftig ein. »Ein leeres Feld? Brache? Niemandsland?«
»So ungefähr.«
»Das Atomkraftwerk«, sagt Adam unvermittelt.
»Was für ein Atomkraftwerk?«, fragt Kenji.
Ich erkläre ihm alles.
»Heiliger Strohsack.« Kenji umklammert das Lenkrad. »Ich hätte also sterben können? Und hab es überlebt?«
»Aber wie haben die uns gefunden?«, frage ich Adam. »Woher wussten sie, wo du wohnst?«
»Keine Ahnung«, antwortet er und seufzt. Schließt die Augen. »Vielleicht lügt Kenji.«
»Komm schon, Mann, was zum –«
»Oder«, unterbricht ihn Adam, »sie haben Benny bestochen.«
»Nein«, keuche ich entsetzt.
»Wäre schon möglich.«
Wir schweigen. Ich versuche draußen etwas zu erkennen, aber der pechschwarze Nachthimmel erstickt jegliches Licht.
Als ich Adam wieder anschaue, ist sein Kopf nach hinten gesunken. Seine Hände sind zu Fäusten geballt, die Lippen fast weiß. Ich ziehe ihm die Kleider fester um den Körper. Er fröstelt.
»Adam …« Ich streiche ihm eine Strähne aus der Stirn. Seine dunklen Haare sind länger geworden, was mir erst jetzt auffällt. Als er in meine Zelle kam, waren sie kurz geschoren. Ich hätte nie gedacht, dass Haare sich so weich anfühlen können. Wie schmelzende Schokolade.
Er bewegt den Kiefer. Zwingt sich zu sprechen. »Alles okay.«
»Kenji –«
»In fünf Minuten sind wir da, versprochen. Ich rase ja schon wie ein Irrer –«
Ich berühre Adams Handgelenke, streiche über die verletzte Haut, die blutigen Striemen. Küsse seine Handfläche. Er atmet zittrig ein. »Alles wird gut«, sage ich.
Er hat die Augen geschlossen. Versucht zu nicken.
»Warum habt ihr beide mir nicht gesagt, dass ihr zusammen seid?«, fragt Kenji plötzlich. Seine Stimme klingt ruhig und neutral.
»Wie?« Kaum der richtige Zeitpunkt, um rot anzulaufen.
Kenji seufzt. Ich schaue in den Rückspiegel, sehe seine Augen. Die Schwellungen sind fast abgeheilt. »Ich muss ja wohl blind gewesen sein«, sagt Kenji. »Ich meine, schon wie er dich anschaut. Als hätte er noch nie im Leben eine Frau gesehen. Als würde man einem Verhungernden Essen hinstellen, das er nicht essen darf.«
Adam schlägt die Augen auf. Ich würde gern seinen Blick deuten, aber er schaut mich nicht an.
»Wieso habt ihr es mir nicht einfach gesagt?«, fragt Kenji.
»Ich konnte dich nie fragen«, flüstert Adam. Seine Kräfte lassen rasch nach. Ich will nicht, dass er spricht. Er muss sich schonen.
»Moment mal – redest du jetzt mit mir oder mit ihr?« Kenji betrachtet uns im Rückspiegel.
»Das können wir später besprechen –«, sage ich, aber Adam schüttelt leicht den Kopf.
»Ich habe es James erzählt, ohne dich vorher zu fragen. Ich … bin einfach davon ausgegangen.« Er hält inne. »Das hätte ich nicht tun sollen. Du solltest immer frei entscheiden dürfen. Auch, ob du mit mir zusammen sein willst.«
»Hey, Leute, ich tu dann mal so, als würde ich euch nicht hören, ja?« Kenji wedelt mit der Hand. »Sprecht euch in Ruhe aus.«
Ich betrachte Adams Augen, seine weichen vollen Lippen. Seine gerunzelte Stirn.
Beuge mich dicht zu ihm. Flüstere ihm etwas ins Ohr, das nur er hören kann.
»Du wirst wieder gesund«, sage ich. »Und dann zeige ich dir, wofür ich mich entschieden habe. Jeden Zentimeter deines Körpers werde ich mit meinen Lippen erkunden.«
Er atmet stockend. Schluckt schwer.
Schaut mich mit brennendem Blick an. Er sieht fiebrig aus, und ich frage mich, ob ich seinen Zustand verschlimmere.
Ich will mich abwenden, aber er legt mir die Hand aufs Bein. »Lass mich nicht los«, sagt er. »Deine Berührung ist das Einzige, was mich
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