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Ich gegen Dich

Titel: Ich gegen Dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Downham
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Gesicht. »Welche Farbe? Wann?«
    »Da warst du neugeboren«, erzählte Mikey ihr, »und das Sozialamt hat gesagt, Mum könnte Geld kriegen, um das Kinderzimmer zu streichen, aber die Farbe müsste weiß sein, haben sie gesagt, und sie wollte Gelb.«
    Mum prustete los. »Gelb und Blau. Ich hab in dem Büro gestanden und denen gesagt, ich geh nicht eher weg, als bis ich das genehmigt kriege. Was für eine alberne Vorschrift – alle sollten weiße Wände haben -, so ein Quatsch. Ich hab gesagt, warum sollen meine Kids vier kahle Wände anstarren, wenn sie die Farben von Sonnenschein und Himmel in ihren Zimmern haben können?«
    Holly plumpste auf den Schoß ihrer Mutter und bedachte sie mit einer so brandneuen, selbstvergessenen Umarmung, dass Mikey gerne etwas davon abgehabt hätte. Karyn sandte ihm über die beiden Köpfe hinweg ein schüchternes Lächeln, und er wurde von einem Gefühl für sie alle überwältigt – Liebe? Scham? Ein Gefühl war das, als könnte er jeden Moment losheulen. Verrückt – da waren sie alle vier endlich mal nett beisammen, und er kämpfte mit den Tränen.
    »Oh-oh«, machte Mum, »Gefahr rückt an.«
    Froh über die Ablenkung, spähte Mikey über das Geländer. Jacko hielt gerade mit seinem Auto und fuhr rückwärts in eine Lücke drüben bei den Mülltonnen.
    »Da wird er abgeschleppt«, sagte Mum. »Lauf hin und sag's ihm, Holly. Sag ihm, dass sie heute dort schon drei Autos abgeschleppt haben.«
    »Ich geh schon«, sagte Karyn. »Bisschen Bewegung wird mir gut tun.«
    Sie schlüpfte in ihre Sandalen, und zu dritt sahen sie zu, wie sie vom Liegestuhl aufstand und langsam, als ob Gehen etwas Neues für sie wäre, über die Balkongalerie zur Aufzugstür ging. Als sie auf den Knopf drückte, stolperte Holly hinter ihr her und nahm ihre Hand. Der Lift kam, und sie stiegen gemeinsam ein.
    Mum nahm sich eine neue Zigarette und bot Mikey eine an. Über dem Feuerzeug trafen sich ihre Blicke.
    »Na«, sagte er, »sie geht also wieder raus.«
    »Seit Gillian zuletzt hier war.«
    »Erstaunlich.«
    »Nachher hat sie auch ihre Freundinnen eingeladen. Ich glaub, da ist was unheimlich Wichtiges passiert, als deine Freundin die Seiten gewechselt hat.«
    »Die Seiten gewechselt?«
    Mum zuckte die Schultern. »Du weißt, was ich meine.«
    Zusammen schauten sie zu Karyn runter. Die beugte sich ins Autofenster, redete mit Jacko. Holly ging zu dem Jungen mit dem Ball rüber.
    Mum sagte: »Hast du heute mit deiner Freundin geredet?«
    »Sie hat mich von einer Telefonzelle aus angerufen, als sie bei der Polizei fertig war.«
    »Alles in Ordnung mit ihr?«
    »Nicht wirklich. Ihr Bruder darf nicht im selben Haus wie sie wohnen, seit sie Zeugin der Anklage ist.«
    »Machst du dir Sorgen um sie?«
    »Sie sagt, ihr Dad rastet aus, wenn er es erfährt. Sie wollte gerade mit ihrer Mum in ein Café gehen, um sich zu überlegen, wie sie es ihm sagen.«
    »Wenigstens hat sie ihre Mum.«
    »Wohl schon.«
    Obwohl Mikey sich nicht sicher war, ob diese hagere Person, der er vor all den Wochen begegnet war, ihr überhaupt eine Hilfe sein konnte. Er nahm einen langen Zug von seiner Zigarette und stieß langsam den Rauch aus. Am Telefon hatte Ellie seltsam ruhig gewirkt, und als sie sich verabschiedet hatte, hatte es sich nach einem Abschied für immer angehört. Noch nie zuvor hatte er sich so sehr nach jemandem gesehnt – nicht so besonders, so stark. Immer wenn er die Augen zumachte, sah er sie, mit über den Kopf gestreckten Armen und Beinen, die ihn warm umhüllten.
    Er wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht und zog noch einmal an seiner Zigarette.
    Seine Mum sah ihn nachdenklich an.
    »Was?«
    »Wenn du dieses Mädchen nicht kennengelernt hättest, wär Karyn heut nicht draußen. Lass dir das mal durch den Kopf gehen.«
    »Du meinst, dass ich Ellie kenne, ist was Gutes?«
    »Ich mein, dass du versucht hast, deiner Schwester zu helfen, das ist was Gutes. Ich weiß nicht, ob irgendwer von uns irgendwas anders gemacht hätte, wenn wir an der Stelle von deiner kleinen Freundin gewesen wären.«
    »Na ja, also ich glaub kaum, dass Karyn das so sieht.«
    »Lass ihr Zeit.«
    Er rieb sich über die Nase und dachte drüber nach, sah sich in der Gegend um, wo er wohnte, weil ihm keine Antwort einfiel. Auf dem Hof standen frisch gepflanzte Bäume, kleine dünne Stöckchen, von eigenen Drahtzäunen beschützt. Er sah sich den Sandkasten an, die Schaukel, den Fußballplatz mit seinem in roter Farbe an die Mauer gemalten

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