Ich gegen Dich
will. Wenn er mich braucht, geh ich.«
»Sehr edelmütig von dir.« Er sah auf ihre ineinander verflochtenen Hände herab. Offenbar brachte ihn das erst recht auf die Palme. »Du hättest sie aufhalten sollen. Hättest ihre verdammten Füße am Boden festnageln müssen.«
»Ich konnte sie nicht aufhalten.«
»Konntest nicht? Sie ist ein Kind, oder etwa nicht? Hast du deine Kinder nicht im Griff?« Er starrte sie finster an, sein Mund ein schmaler Strich der Missbilligung. Dann wirbelte er herum und marschierte raus, stampfte wütend die Treppe wieder rauf.
»O Gott«, sagte Mum und schlug sich die Hände vors Gesicht.
Ellie wusste nicht, was sie sagen oder tun sollte. »Es tut mir leid«, brachte sie heraus. Mehr fiel ihr nicht ein.
Seit sie vom Polizeirevier zurück waren, hatte sie sich pausenlos entschuldigt. Mum hatte alle um den Tisch im Wohnzimmer versammelt und Dad gebeten, sie nicht zu unterbrechen, hatte Tom gesagt, dass sie ihn lieb hatte, und sie dann beide über die neue Zeugenaussage informiert, die Ellie unterschrieben hatte, und über Ellies Beziehung mit Mikey. Danach hatte es stundenlang Vorwürfe gehagelt.
Dad kletterte jetzt auf den Dachboden. Ellie hörte die Ausziehleiter quietschen. Vielleicht holte er den Technikbaukasten runter, das Lego, Toms Spielzeugbauernhof. Sämtliche Plastiktiere – die Kühe, Pferde und Schafe, Scharen von Gänsen und Enten – würden bald an der Tür aufgestellt sein.
»Er ist überhaupt nicht auf meiner Seite«, sagte sie.
»Doch. Natürlich ist er das.«
Doch das stimmte nicht. Sie war beschmutzt. Verändert. Nicht mehr sein kleines Mädchen. Er hatte einen neuen leeren Blick aufgesetzt, als könnte ihm jemand für ihn Unerträgliches ins Blickfeld geraten, wenn er sie richtig ansah.
»Jedenfalls«, sagte Mum, »geht es nicht darum, Partei zu ergreifen. Als ich da auf dem Revier saß und dir zugehört hab, wollte ich zweierlei zugleich. Und zwar, dass du zu reden aufhörst, weil ich keine schlimmen Dinge über Tom hören wollte, und dass du die ganze Nacht weiterredest, weil ich gesehen hab, wie sehr es dir zusetzt, das alles in dich reinzufressen.«
Sie ging zum Fenster, schob die Topfpflanzen auf dem Fensterbrett nach hinten und zog die Vorhänge vor. Das vertraute Geräusch hatte etwas Tröstliches.
Dad zerstörte die Stimmung, als er mit Toms Krickettasche runterkam und sie vorsichtig auf dem Flurtisch ablegte, obwohl die Kricketsaison noch nicht begonnen hatte und sie getrost auf dem Dachboden hätte bleiben können. Mum setzte sich wieder neben Ellie, während er quer durch das Wohnzimmer zum Barschrank ging. Ohne sie beide zu beachten, schenkte er sich einen großen Whisky ein und nahm ein, zwei, drei Schluck, die er jeweils erst im Mund hin- und herschwenkte. Er trat ans Fenster, zog die Vorhänge wieder auf und sah in die Dunkelheit raus, als wartete er auf etwas. Die Presse? Fernsehteams? Für ihn war das etwas Gigantisches, größer als sie alle zusammen. Seine Tochter hatte die Grenze zum Feindesland überschritten. Sie war anti-Parker. Gehörte nicht mehr zum Team.
»Wie oft hast du dich mit dem Jungen getroffen?«
Das wieder. Ellie holte Luft. »Nicht oft.«
»Wo?«
»Hab ich dir gesagt – verschieden. Meistens sind wir spazieren gegangen.«
Er drehte sich um und sah sie aus zusammengekniffenen Augen an. »Warst du gestern mit ihm zusammen?«
Sie nickte. Es war unerlässlich geworden, die Wahrheit zu sagen, als würde sich sonst auch das letzte Fünkchen Gutes, das es in ihrem Leben noch gab, verflüchtigen.
»Wo seid ihr hingegangen? Ich glaub dir nicht eine Sekunde, dass ihr im Kino wart.«
»Wir waren im Häuschen.«
Ungläubig blinzelte er sie an. »Ihr seid eingebrochen?«
»Die Schlüssel waren unter dem Blumentopf.«
Er trat einen Schritt vor und glotzte Mum finster an. »Hast du das gewusst?«
»Ellie hat es mir gesagt, ja.«
»Und du hast es nicht für nötig gehalten, das zu erwähnen?«
»Angesichts der Gesamtsituation kam es mir eher unbedeutend vor.«
»Eher unbedeutend? Also ich kann dir sagen, wenn das Haus geplündert oder besetzt wird, wird es dir bedeutend genug vorkommen!« Er knallte das leere Whiskyglas auf den Couchtisch und wandte sich Ellie zu. »Was in Dreiteufelsnamen habt ihr so lange dort gemacht?«
Mum drückte ihre Hand. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um das Gespräch auszuplaudern, das sie beide nach dem Polizeirevier in dem Café geführt hatten.
»Wir haben Kartoffeln
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