Ich gegen Dich
Tag hier. Und weißt du, was ich mache, wenn ich herkomm?« Mit dem Ta-da eines Zauberers zog er ein Döschen aus der Tasche.
»Was ist das?«
Er holte ein in Klarsichtfolie gewickeltes Bröckchen heraus und ließ es vor seiner Nase tanzen. »Das bleibt unter uns, Ellie.« Er schnüffelte daran. »Zu blöd, dass es nur Rocky ist.«
»Rocky?«
»Marokkaner. Der ist ein bisschen schwach, aber was anderes hab ich nicht gekriegt.«
Sie wusste, dass er auch früher schon Gras geraucht hatte; an dem Abend, als er mit den anderen nach Hause gekommen war, hatte er gekifft. Am Morgen hatte sie die Jointkippen im Garten verbuddelt, damit ihre Eltern nichts merkten. Aber dieser ganze Brocken, weich und dunkel wie Fondant, war etwas ganz anderes.
Sie sah zu, wie er eine Zigarette am Falz anleckte und das feuchte Papier abschälte. Er machte sich nicht einmal die Mühe nachzusehen, was draußen los war, während er den Tabak in ein übergroßes Rizla-Blättchen füllte und das Dope vorsichtig über einem Feuerzeug erwärmte.
»Sieh zu und lern was«, sagte er.
Süßliche Rauchschwaden zogen durchs Auto. Ellie fragte sich, ob der Geruch wohl in ihren Haaren hängenblieb und ob ihr Dad, wenn sie nach Hause kam, daran schnüffeln und sagen würde: »Bist du jetzt drogensüchtig, Eleanor?«
Zwei Frauen mit identischen blauen Windbreakern und Rucksäcken gingen vorbei. Sie sahen zielstrebig aus, solide. Ellie beneidete sie.
»Ist das auch wirklich okay von dir?«, fragte sie. »Ich meine, was ist, wenn die Polizei einen Drogentest oder so macht?«
Tom seufzte. »Auf irgendwas muss ich mich freuen können.«
Er krümelte das Dope auf den Tabak, nahm dann das ganze Gebilde in die Hand und drehte es so hypervorsichtig, dass sie wie gebannt hinstarrte.
Er zwirbelte ein Ende zu und legte es sich auf ein Knie, während er einen schmalen Streifen Pappe von der Rizla-Packung abriss und zu einem Röllchen formte, das er in das andere Ende steckte.
»Wofür ist das denn?«
»Ein Filter. Damit du dir nicht die Lippe verbrennst.«
Ihre Lippe? Erwartete er, dass sie mitrauchte?
Er steckte den Joint an, zog tief auf Lunge und schloss die Augen, um den Rauch auszustoßen. »Jeden Morgen freue ich mich auf das hier.« Er zog noch ein paar Mal, aber gerade als sie dachte, sie wäre noch mal davongekommen und er würde alles allein aufrauchen, fragte er: »Na, jetzt, wo du offiziell mit deinem großen Bruder chillst, willste'n Zug?«
»Ich weiß nicht.«
»Bestimmt merkst du nicht mal was. Höchstens ein ganz kleines High.«
Es fühlte sich merkwürdig in ihrer Hand an, wie ein Requisit aus einem Spiel. Plötzlich fiel ihr wieder ein, wie sie und Tom mal Blätter von einem Gartenstrauch in ein A4-Papier eingerollt und angezündet hatten. Damals mussten sie etwa sechs und acht Jahre alt gewesen sein und gespielt haben, dass sie Zigarren rauchten.
Rasch warf sie ihm einen Blick zu. Er war ihr Bruder, war es immer gewesen, würde es immer sein. Sie nahm einen kleinen Zug und ließ den Rauch in ihrem Mund hin- und herwandern.
»Tief einatmen«, sagte er. »Sonst ist es Verschwendung.«
Sie versuchte, den Rauch aus ihrem Mund in die Lunge zu ziehen, aber ihre Kehle verschloss sich, so dass sie ihn mit prustendem Husten wieder hochbeförderte.
Tom lachte. »Du bist so 'ne Anfängerin. Na los, davon wirst du nicht stoned, dir wird bloß warm, und du bist ein bisschen happy. So leicht darfst du nicht aufgeben.«
Unter seiner Anleitung nahm sie einen tieferen Zug und versuchte, den Rauch ganz einzuatmen. Ihre Lunge brannte, das Hirn schaukelte ihr im Schädel, und der Rauch kam wieder rausgeprustet.
Da nahm Tom ihr die Tüte ab und nahm einen schon fast lächerlich tiefen Lungenzug, wie um ihr zu demonstrieren, wie man es richtig machte. Er blies den Rauch Richtung Frontscheibe. Mit beißendem Geruch kam die Wolke zu ihnen zurückgeweht.
Verträumt lächelte er sie an. »Jetzt bist du zur dunklen Seite der Macht übergewechselt. Das ist dir doch klar, oder?«
Verlegen rutschte sie tiefer in ihren Sitz. Früher hatte sie noch nie in ihrem Leben die Schule geschwänzt, gekifft oder einen Jungen geküsst, dessen Namen sie nicht kannte, aber in den letzten paar Tagen hatten sie all das getan. So musste es sein, wenn man das Heft seines Lebens selbst in die Hand nahm. So würde es an der Uni sein – sie würde tun und lassen, was sie wollte, wann immer sie wollte. Niemand, der einem Fragen stellte. Keine Überwachung. Vielleicht würde
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