Ich gegen Dich
ausnüchtern. Das heißt, du musst sie ausnüchtern, denn ich muss zur Arbeit. Sie muss das Jugendamt anrufen und denen erzählen, warum sie neulich nicht zu erreichen war, dann was einkaufen und Holly abholen. Sorg dafür, dass sie mich anruft, sobald sie richtig wach ist, und lass sie nicht zur Schule gehen, wenn sie noch verkatert ist, denn die achten auf so was. Deine Polizistin hat auch die Schule angerufen, ist das zu fassen?«
»Hör auf, sie meine Polizistin zu nennen.«
»Wenn Mum nicht gebadet hat und nicht vollkommen nüchtern ist, dann musst du dich drum kümmern, dass Holly abgeholt wird.«
Karyn wich vor ihm zurück. »Ich geh nicht aus der Wohnung.«
»Musst du auch nicht. Ruf eine von deinen Freundinnen an und sag denen, sie sollen sie abholen.«
»Ich red mit niemand.«
»Herrgott nochmal, Karyn! Es sind bloß ein paar Anrufe.«
Am liebsten wollte er ihr eine reinhauen. Er wollte die Tür zuknallen und abhauen. Sah sie denn nicht, dass ihre Freundinnen Beschäftigung brauchten? Tag für Tag klingelten sie bei ihnen, um zu fragen, wie es ihr ging. Wenn sie ihnen etwas zu tun gab, konnte es allen besser gehen. Aber wenn er sich jetzt deswegen mit ihr rumstritt, kam er noch später zur Arbeit als so schon. Und wenn er einfach abhaute, ging Karyn glatt wieder ins Bett und würde genau wie Mum den Tag verschlafen.
Er legte Karyn beide Hände auf die Schultern und sah ihr in die Augen. Dabei kam er sich wie ein Hypnotiseur vor.
»Wir stehen das zusammen durch«, sagte er, »und du musst deinen Anteil dazu beizutragen. Mach Mum einen starken Kaffee, flöß ihr massenhaft Wasser ein, geh zu ihr rein und rede mit ihr, lass dich von nichts abbringen. Wir dürfen Holly heute nicht zu spät abholen. Verstanden?«
Sie nickte, aber ihr standen die Tränen in den Augen »Das ist sehr tapfer von dir«, versicherte er ihr. »Keine Sorge, das kommt alles wieder in Ordnung.«
FÜNFZEHN
T om hielt den Wagen vor der Brücke an, stellte den Motor ab und drehte sich zu Ellie um.
»Näher als so darf ich nicht ranfahren«, sagte er.
Sie schaute auf ihren Schoß, auf ihre Finger, die sich am Trageriemen ihrer Tasche festklammerten.
Er sagte: »Ich hab mit James und Freddie geredet. Die haben Brüder auf der Schule, die sofort zur Stelle sein werden, wenn dir heute irgendwer Ärger macht.«
Mit fremden Jungs als Bodyguards würde sie nur noch mehr auffallen. Was sie tatsächlich brauchte, war, überhaupt nicht mehr beachtet zu werden; dann konnte ihr Leben wieder so werden, wie es vorher war.
»Tut mir leid, dass Dad dir die Hölle heiß gemacht hat«, sagte Tom. »Der hat dich viel zu heftig runtergemacht.«
Das stimmte allerdings. In Endlosschleife, was für eine Schande sie mit ihrer Prügelei in der Öffentlichkeit über die Familie gebracht habe und wie enttäuscht er von ihr sei, weil sie weggelaufen war, anstatt sich der Verantwortung für ihr Verhalten zu stellen, bla bla. Er hatte sie nur zwei Tage vor dem Wochenende von der Schule befreit und zwang sie jetzt schon wieder hin. Heute Morgen hatte er sich am Frühstückstisch vorgebeugt und gesagt: »Dir ist hoffentlich klar, wie schwer das Ganze für deinen Bruder ist.«
Tom war nett gewesen, hatte sich für sie eingesetzt und gesagt, dass es für sie auch nicht leicht war, dass sie seinen Ruf verteidigt hatte und die Kids in der Schule die letzten Versager waren. Aber nicht einmal Dads Goldjunge hatte es geschafft, mehr schulfreie Tage für sie rauszuschlagen.
Und jetzt musste sie aus dem Auto steigen und über die Brücke gehen. Sie musste durch das Tor auf der anderen Seite gehen und den leeren Schulhof überqueren, dann durch den Haupteingang und sich im Sekretariat melden. Von dort würde Mr. Spalding, der Tutor, sie in den Spanischkurs begleiten. Das hatte ihr Vater alles telefonisch geregelt, einschließlich ihrer späten Ankunft. Sie durfte überfüllte Schulflure am frühen Morgen überspringen, galt offiziell als Problemkind.
»Willst du meinen Rat hören?«, sagte Tom. Er lehnte sich in seinen Sitz zurück, den Kopf gegen das Fenster gedrückt, um sie richtig ansehen zu können. »Schau nicht hoch, konzentrier dich aufs Lernen und die Prüfungen und halt dich aus allem raus, was Ärger bringt. Wenn du stundenlang abhaust und keinem sagst, wo du bist, drehen Mum und Dad natürlich durch.«
Dazu schüttelte sie nur den Kopf. »Ich hab ihnen nicht gesagt, wo ich war, weil ich nicht lügen wollte.«
»Aber du hast es mir auch nicht
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