Ich gegen Dich
hätten ihr eigentlich eine AG für nach der Schule organisieren sollen. Nicht mal die einfachsten Dinge kriegen sie geregelt.« Sie stand auf und ging zum Fenster. »Diesen Kaffee krieg ich übrigens nicht runter.« Ihre Stimme klang verändert, irgendwie hart. »Ich muss mir da was reintun. Du sagst mir jetzt, wo meine Flasche ist.«
»Nein, Mum.«
Ihr Mund war ein schmaler Strich, als sie sich vom Fenster wegdrehte. »Sieh mich nicht so an, Mikey. Falls du es vergessen haben solltest, ich bin nämlich deine Mutter, und noch lebst du unter meinem Dach, würdest du sie also bitte holen gehen?!«
»Mum, lass das.«
Sie funkelte ihn an. »Ich brauch nicht zu sehen, wo du sie versteckt hast. Tu einen Schuss in den Kaffee und versteck sie hinterher wieder.«
Er wünschte, er hätte einen Bruder. Selbst eine ältere Schwester wäre nett. Am besten gleich Hunderte davon, allesamt älter als er. Sie könnten sich abwechseln.
»Na gut«, sagte er. »Nur einen Schuss. Einen winzigen.«
Sie sah so dankbar aus, wie so eine Art verzweifeltes Gespenst, als er die Flasche aus seinem Zimmer holen ging.
NEUNUNDZWANZIG
N achdem sie sich an der Tür von Karyn verabschiedet hatten, gingen sie schweigend die Treppe runter und über den Hof. Weil das Haupttor geschlossen war, mussten sie klettern. Jacko schwang sich mit einer flüssigen Bewegung drüber.
»Angeber«, sagte Mikey zum Ausgleich.
Grinsend leckte sich Jacko einen Finger und hielt ihn hoch, als hätte er einen Punkt erzielt.
Alles regte Mikey auf – wie sich Karyn und Jacko vor Lachen weggeschmissen hatten, während er Mum oben die Sherryflasche wegnehmen musste; dass sie zu spät zur Arbeit kamen und das auf sein Konto gehen würde, denn Jacko glänzte durch gute Führung, wie konnte es also dessen Schuld sein? Selbst die Luft, heiß, trocken und voller Essensgerüche, widerte ihn an. Er hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen. Eigentlich hatte er vorgehabt, sich vor seiner Schicht etwas im Pub zu besorgen, aber dazu war jetzt keine Zeit mehr. Alles lief schief.
»Na«, sagte Jacko, als sie ins Auto einstiegen, »Karyn ist ja wieder voll da. Ich hatte ganz vergessen, wie witzig sie ist.«
»Jaha, zum Totlachen.«
Stirnrunzelnd drehte Jacko den Zündschlüssel. »Willst du mir sagen, was los ist?«
»Auf gar keinen Fall.«
»Komm schon, Mikey, was ist los?«
»Nichts.«
Sie fuhren von der Siedlung weg, vorbei am Zeitungskiosk, am Waschsalon. Davor stand ein Mann mit etwas zu trinken in einem Plastikbecher. Er war oben ohne.
Jacko zeigte auf ihn. »Der hat sein Hemd bestimmt in die Waschmaschine gesteckt.«
Das fand Mikey überhaupt nicht lustig.
»Warum hast du gesagt, dass du Karyn auf eine Spritztour mitnehmen willst?«, wollte er wissen.
»Warum nicht?«
»Stehst du auf sie?«
»Ich wollte ihr ein gutes Gefühl geben.«
»Indem du sie angemacht hast? Erzähl mir doch keinen Scheiß.« Mikey schüttelte den Kopf, als wäre es das Lächerlichste, das er je gehört hatte. Er wusste, dass er sich mies verhielt, konnte aber nicht aufhören.
Jacko sagte: »Man muss sich um sie kümmern, mehr sag ich ja gar nicht.«
»Du musst nicht helfen, Jacko. Echt, keiner hat dich drum gebeten.«
Jackos Gesicht verfinsterte sich. Sie fuhren an der Post vorbei, an Lidl, aus der Stadt raus. »Hör mal, Alter«, sagte er, »ich sag dir das nur, weil ich deine Familie schon ewig kenne und weil du mir wichtig bist. Ellie Parker hat nette Titten und hat noch keinen an sich rangelassen, aber die bringt dich völlig vom Kurs ab.«
»Über sie haben wir überhaupt nicht geredet, sondern über Karyn.«
»Kommt aufs Gleiche raus.« Jacko ließ ihn nicht aus den Augen. »Du musst aufhören, die Kleine anzuhimmeln. Ich hab gesehen, wie du sie im Gericht angeglotzt hast. Du bist kurz vorm Durchdrehen.«
»Ich dreh überhaupt nicht durch. Sie hat zum Racheplan gehört, das ist alles.«
»Red dir das ruhig weiter ein.«
»Mach ich auch, weil es nämlich stimmt.«
Mikey kurbelte sein Fenster runter und streckte den Ellenbogen raus, wütend auf Jacko. Der war nur neidisch. So einfach war das. Ellie spielte in einer höheren Liga, Jacko hätte bei ihr nicht die geringste Chance.
Eine Zeitlang fuhren sie schweigend weiter, an Weiden mit Schweinen vorbei, die in ihrem eigenen Mist herumstanden, einem Bauernhaus mit einem Tisch davor, auf dem Marmelade und neue Kartoffeln angeboten wurden. Mikey wühlte in seiner Tasche nach seinem Tabak und drehte sich eine. Jacko bot er
Weitere Kostenlose Bücher