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Ich gegen Dich

Titel: Ich gegen Dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Downham
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Richter zu reden. Es war die Rede von Aussagen, auf die sich die Anklage stützte, und Beweismaterial, das die Position der Verteidigung stärken könnte. Während mit juristischen Begriffen jongliert wurde, beugte sich die Menge angestrengt vor und versuchte, daraus schlau zu werden.
    Sah Mikey sie an? Wie viel von ihr konnte er von seinem Platz aus sehen? Ihren Nacken? Die Schultern?
    Die Anwälte machten immer weiter, und gerade als die Zuhörer anfingen, mit den Füßen zu scharren, und Ellie sich schon Hoffnungen machte, dass Barry Recht hatte und die Leute vor lauter Langeweile nach Hause gehen würden, wurde Tom in die Anklagebank gerufen. Die Menge horchte auf.
    Die Anklagebank befand sich seitlich von den Anwälten, ein halb abgetrennter Bereich, zu dem Stufen hinaufführten. Als Tom in seinem besten Anzug dort stand, konnte jeder sein Gesicht sehen. Er sah noch blasser aus als im Auto und sehr verschüchtert.
    Der Richter sagte: »Heißen Sie Thomas Alexander Parker?«
    »Ja, Euer Ehren.« Er klang jung, seine Stimme schmerzlich vertraut.
    Der Richter verlas sein Geburtsdatum, dann die Adresse. Sogar mit Postleitzahl. Der Raum schien wegzukippen, als er die Anklage laut verlas. Die Worte sexuelle Nötigung hallten unter Ellies Schädeldecke wider. Tom wurde gefragt, ob er verstand, welcher Vorwurf gegen ihn erhoben wurde.
    »Ja«, sagte er, »ich verstehe.«
    Wie bei einem Schwur.
    »Und wie bekennen Sie sich? Schuldig oder nicht schuldig?«
    Ellie spürte ihren eigenen Herzschlag, das Ticken ihres Hirns, während der Raum in Zeitlupe versank. Er konnte die Aussage verweigern. Er konnte auf Unzurechnungsfähigkeit plädieren. Er konnte ein Geständnis ablegen.
    »Nicht schuldig.«
    Ein allgemeines Protestgemurmel erhob sich im Raum und dazu vereinzelter Applaus. Ein paar von Toms Freunden mussten hereingekommen sein, denn ein Junge rief: »Zeig's ihnen, Alter!« Der Richter ließ sein Hämmerchen niedersausen und verlangte Ruhe im Saal.
    In der Aufregung linste Ellie verstohlen zu Mikey rüber.
    Er sah zu Boden, als hätte er aufgegeben. Ihr ganzer Körper fühlte sich kalt an, während sie ihn ansah. Mikey liebte seine Schwester, deshalb hatte er ihr zu helfen versucht. Ebenso seine Mutter, man sah ja, wie er den Arm um sie legte, wie sie sich an ihn lehnte. Wahrscheinlich würde er alles für sie tun, war das nicht immer so in Familien? Hielt Tom ihr das nicht ständig vor? Aber jetzt musste Mikey nach Hause gehen und Karyn sagen, dass sie in wenigen Wochen die Wohnung verlassen, vor Gericht erscheinen und über das reden müsste, was passiert war. Ihr Leben würde von Fremden seziert und unter die Lupe genommen werden, und jeder konnte hinkommen und zusehen.
    Nicht schuldig.
    Die Worte hallten in Ellies Kopf. Bei jedem Blinzeln sah sie sie aufflackern.

ACHTUNDZWANZIG
    M ikey machte Kaffee in der Küche und behielt gleichzeitig Karyn und Jacko im Auge. Er wollte nicht Kaffee machen, sondern im Auto sitzen und zur Arbeit fahren, aber Mum war nach oben verschwunden, kaum dass sie vom Gericht zurück waren, und er wusste, dass sie sich mit Koffein am besten runterlocken ließ.
    Karyn wickelte sich unaufhörlich eine Haarsträhne um einen Finger und lauschte hingebungsvoll Jackos Erzählung, wie er Tom Parker von den Treppenstufen des Gerichtsgebäudes herab »Wichser!« hinterhergerufen hatte.
    »Wir haben ihn alle ausgebuht, als er rauskam«, sagte Jacko. »Er hat sich seine Jacke über den Kopf gezogen, so hat er sich geschämt. Massenhaft Leute waren auf deiner Seite. Von deinen Schulfreundinnen waren jede Menge da.«
    »Ich sollte ihnen schreiben«, sagte Karyn. »Ich hab das ein bisschen schleifen lassen, war Scheiße von mir. Manchmal fällt's schwer zu glauben, dass sie mich nicht alle vergessen haben.«
    »Dich vergessen? Nee, Mädel, wir sind für dich da.« Jacko traktierte die Luft mit beiden Fäusten. »Das Problem ist, die Gerichte sind so beschissen. Sie hätten es dem Volk überlassen sollen. Wir hätten ihn auf dem Parkplatz gelyncht und an 'nem Baum aufgehängt.«
    »Keine gute Idee«, sagte Karyn. »Sieh dir an, was mit Mikey passiert ist, als er sich zu nah rangewagt hat.«
    Mikey warf ihr einen finsteren Blick zu. »Was redest du da? Ich hab jede Menge Treffer gelandet.«
    »Du wolltest dich nur selbst beweisen.«
    Erst hatte sie Gillian von der Schlägerei erzählt, und jetzt machte sie sich vor seinem besten Freund über ihn lustig. Er war verblüfft, wie undankbar sie war, »Du bist

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