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Ich gegen Dich

Titel: Ich gegen Dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Downham
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Hände in den Taschen. Er ging schnell, war schon weiter weg, sie hatte nicht erwartet, irgendwen anzutreffen. Die Welt hatte leer gewirkt, und jetzt war sie voll.
    Stell dir vor, du wärst Karyn. Stell dir vor, du wärst hier draußen und...
    Nein, nein, sie wollte nicht schon wieder an Karyn denken!
    Ellie versuchte, sich an die Beschwörungsformel zu erinnern, die sie gelernt hatte, nachdem sie in Kenia gebissen worden war und die Leute ihre Narbe anstarrten – man machte die Augen zu und holte sich Kraft aus dem Universum. Stellte sich einen weißen Tiger auf einem Eisenberg vor. Einen brennenden roten Phönix, eine schwimmende blaue Meeresschildkröte, einen grünen Drachen in einem Wald.
    Aber man kann nicht mit geschlossenen Augen die Straße entlanggehen und an Drachen denken. Und wenn man die Augen aufmacht, sieht man den ganzen Mist – die Zigarettenkippen und das auf dem Bürgersteig plattgetretene Kaugummi, Abfall, der überall rumwirbelt.
    Mein Bruder ist unschuldig. Na bitte, das war eine bessere Formel. Ein paar Mal murmelte sie sie mit gesenktem Kopf vor sich hin. Es klappte nicht lange. Gedanken an eine abgebrochene Flasche kamen ihr in die Quere. Und als das erst eingesickert war, schlossen sich andere Erinnerungen an – Tom und seine Freunde, frisch aus dem Pub. Karyn betrunken auf einem Bett. Drei Jungs, die um sie rumstanden, während Ellie sagte: »Was macht ihr da?«
    Wir machen nur Quatsch. Bloß ein bisschen Spaß.
    Vor dem elektrischen Tor tastete Ellie nach dem Knopf zum Offnen. An der Haustür kramte sie nach ihrem Schlüssel. Drinnen schloss sie die Augen und lehnte sich gegen die Flurwand. Sie zählte bis fünfzig, ehe sie in die Küche ging und die Jalousie runterließ. Sie füllte den Wasserkocher. Einen schlimmen Moment lang befürchtete sie, es könnte kein Kaffee da sein, aber unten im Kühlschrank war ein neues Paket. Sie nahm sich einen Teller für ihr Croissant – ihren Lieblingsteller, mit Ankern und weißen Segelbooten dekoriert. Sie machte sich einen Kaffee und setzte sich an den Tisch. Der Kaffee war heiß, der erste Bissen vom Croissant war süß und lecker. Beides zusammen brachte sie zum Weinen.
    Tom stand in der Tür. Ellie spürte, dass er da war, und wusste, dass sie ihre Tränen unterdrücken sollte. Er tapste barfuß durch die Küche und hockte sich neben sie.
    Ich fürchte mich vor dir, dachte sie. Sie wischte sich mit dem Ärmel über die Augen und versuchte, ihn nicht anzusehen. Aber er fasste sie unters Kinn und drehte ihr Gesicht zu sich. Seine Wangen sahen versengt aus, als wütete ein Feuer in seinen Eingeweiden.
    »Wo warst du?«
    »Beim Bäcker.«
    »Bisschen früh für so was.«
    Sie zeigte ihm den Teller mit dem Croissant. »Siehst du?«
    »Hast du mir was mitgebracht?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?« Er lächelte, aber nicht mit den Augen. »Magst du mich nicht mehr?«
    Das war kein Spaß. Er sagte es wirklich. Als würde sich etwas unter den Bodendielen aufbäumen und zum Vorschein kommen. Sie wusste nicht, was sie antworten sollte oder ob er überhaupt eine Antwort von ihr erwartete.
    Er sagte: »Freddie hat dich gestern gesehen. Er meint, es muss früh gewesen sein, so gegen sechs Uhr morgens.«
    »Ich bin spazieren gegangen.«
    »Wo?«
    Das Herz hämmerte wild in ihrer Brust. Sie war quer durch die Stadt gegangen, zur Sozialsiedlung rüber, einzig und allein, um zu den Fenstern hochzusehen und herauszufinden, ob sie raten konnte, wo Mikey und Karyn wohnten.
    »Nirgendwo. Nur so rumgelaufen.«
    Ein Herzschlag. Dann: »Warum hab ich das Gefühl, dass du nicht mehr auf meiner Seite bist?« Langsam wandte er sich um und ging zur Tür, blieb kurz stehen, ehe er sich wieder zu ihr umdrehte. »Bitte gib mich nicht auf.«

EINUNDDREISSIG
    D ie Vorhänge blähten sich wie Segel, auf dem Teppich flimmerte das Sonnenlicht. Tom lag mit geschlossenen Augen auf dem Bett und hörte iPod. Ellie stand im oberen Flur und beobachtete ihn. Er sah wie ein völlig normaler Junge in einem völlig normalen Zimmer aus. Kein Vorhängeschloss, kein Absperrband, die Tür weit offen.
    Tom Alexander Parker, mit dem sie all die Jahre zusammen aufgewachsen war, würde doch bestimmt nicht zulassen, dass etwas Schreckliches geschah?
    Er musste Ellies Anwesenheit gespürt haben, weil er sich plötzlich aufsetzte und ihr in die Augen sah. Er nahm seine Kopfhörer ab. »Was ist?«
    »Nichts.«
    »Warum stehst du da und starrst mich an? Willst du mir Angst machen?«
    »Das Essen ist

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